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Schadensgutachten bei Verkehrsunfall – Das müssen Sie wissen

Um nach einem Verkehrsunfall das Ausmaß des Schadens sowie die damit verbundenen Kosten zu ermitteln, wird oft ein Gutachten von einem Sachverständigen angefertigt. Dieser Beitrag klärt auf, wann ein solches Gutachten sinnvoll ist, wer hierfür zahlen muss und was sonst noch zu beachten ist.

1. Wann benötige ich ein Schadensgutachten?

Das Gutachten soll feststellen, in welcher Höhe ein Schaden an Ihrem Fahrzeug entstanden ist. Allerdings kostet die Arbeit des Sachverständigen auch Geld. Ein Gutachten lohnt sich deshalb nur, wenn zwischen Ihnen und den anderen Unfallbeteiligten Streit darüber besteht, welcher Schaden entstanden ist.

Beispiel: Sie halten rechtzeitig an einer roten Ampel. Der Fahrer des Wagens hinter Ihnen hat auf sein Handy geschaut und deshalb nicht rechtzeitig anhalten können. Er fährt Ihnen auf und beschädigt so die Karosserie Ihres Wagens. Später behauptet er, die Beschädigungen seien schon vorher da gewesen. Ein Sachverständiger kann nun feststellen, ob die Schäden bei dem Unfall verursacht wurden oder schon vorher vorhanden waren.

Nach einem unverschuldeten Unfall sollten Sie in der Regel auf ein Schadensgutachten bestehen, da dieses von der Gegenseite gezahlt werden muss. Bei einem selbst verursachten Unfall kann es sich hingegen lohnen, auf einen Gutachter zu verzichten. Dieser bietet sich allerdings an, wenn der Unfallgegner offenbar überzogene Forderungen stellt.

2. Welchen Inhalt hat das Gutachten?

Der Gutachter stellt insbesondere den Wert des Fahrzeuges fest, listet die eingetretenen Schäden auf und kalkuliert die notwendigen Reparaturkosten. Außerdem schätzt er den merkantilen Minderwert. Damit ist der Wertverlust gemeint, der durch den bloßen Umstand eintritt, dass das Fahrzeug in einen Unfall verwickelt war. Unfallwagen sind schließlich unabhängig von einem konkreten Schaden weniger wert.

Außerdem wird der Gutachter die Frage beantworten, ob ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegt: Wenn die Kosten der Reparatur den Wiederbeschaffungswert (d. h. die Kosten für ein vergleichbares Gebrauchtfahrzeug) um mindestens 30% übersteigen, können Sie den Wagen nicht auf Kosten des Schädigers reparieren lassen. Dann erhalten Sie nur den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwertes Ihres Fahrzeugs.

Beispiele zum wirtschaftlichen Totalschaden:

  • Sie fahren einen gebrauchten VW Golf. Ein vergleichbares Fahrzeug kostet am Markt ca. 1.500 Euro. Sie geraten nun unverschuldet in einen Unfall. Die Reparatur des Fahrzeugs würde 1.850 Euro kosten, Ihr nun beschädigtes Fahrzeug hat einen Restwert von 500 Euro. Der Unfallverursacher muss die Reparaturkosten bezahlen – ein wirtschaftlicher Totalschaden liegt nicht vor. Die Reparaturkosten können Sie aber nur verlangen, wenn Sie tatsächlich reparieren lassen. Dies können Sie z.B. mit einer Werkstattrechnung oder durch den Sachverständigen nachweisen.
  • Liegen nun die Reparaturkosten bei 2.000 Euro, so übersteigen diese den Wiederbeschaffungswert (1.500 Euro) um mehr als 30%. Deshalb muss der Verursacher Ihnen nicht die Reparaturkosten ersetzen, sondern nur den Wiederbeschaffungswert (1.500 Euro) abzüglich Restwert (500 Euro) zahlen. Sie bekommen also nur 1.000 Euro.

3. Wer muss das Schadensgutachten bezahlen?

Beauftragen Sie einen Gutachter, haben Sie diesen zunächst auch zu bezahlen.

Schlussendlich trägt aber derjenige die Kosten, der auch für den Schaden an Ihrem Auto aufkommen muss. Das ist im Idealfall der Unfallverursacher beziehungsweise dessen Kfz-Haftpflichtversicherung.

Die Gutachterkosten werden als Teil des Schadens behandelt – wenn es denn erforderlich ist. Das Gericht verurteilt dann den Unfallverursacher zur Kostenübernahme.

Nicht erforderlich ist das Gutachten, wenn bloß Bagatellschäden vorliegen (Schaden unter 750 €) oder die Umstände des Unfalls ohne Gutachten ermittelt werden können (selten).

Umgekehrt gilt also: Verlieren Sie vor Gericht, haben Sie auch die Kosten zu tragen, die Ihr Unfallgegner für seinen Gutachter vorgeleistet hat (bzw. die gegnerische Haftpflichtversicherung).

Beachten Sie, dass Sie bei einem Mitverschulden an dem Unfall auch teilweise die Kosten des Gutachtens bezahlen müssen.

Beispiel: A und B kollidieren auf einer Landstraße miteinander, weil Sie beide die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um jeweils 10 km/h überschritten haben. Beide trifft an dem Unfall ein hälftiges Verschulden. Ist nun ein Schaden (kein bloßer Bagatellschaden) an dem Auto des A entstanden, müssen sich A und B die Kosten des Gutachtens teilen. Wenn auch ein Gutachten für den Schaden am Auto des B notwendig ist, gilt hierfür das Gleiche.

Übrigens erhalten Sie zunächst nur die Netto-Kosten Ihres Gutachters ersetzt (so wie für alle Schadenspositionen, die Sie geltend machen). Nur wenn Sie die Rechnung des Gutachters vorlegen, können Sie auch die Mehrwertsteuer verlangen. Müssen Sie hingegen die Gutachterkosten des Gegners tragen, gilt auch umgekehrt: Ohne Rechnung kein Ersatz der Mehrwertsteuer.

4. Wer sucht den Gutachter aus und bestellt ihn?

Oft wird die Versicherung des Unfallgegners ihren eigenen Gutachter beauftragen wollen. In diesem Fall besteht die Gefahr, dass er nicht ganz so neutral auf die Sache schaut, wie man es von einem Sachverständigen erwartet. Deshalb sollten Sie dem Vorschlag der gegnerischen Versicherung nicht immer folgen.

Sie haben das Recht, einen eigenen Gutachter auszuwählen und zu beauftragen.

Manches Mal bestellt auch das Gericht einen Gutachter. Es ist nicht unüblich, hierfür Vorschläge zu unterbreiten. Das sollten Sie tun.

Übrigens: Sie müssen Ihr Fahrzeug für ein Gutachten in aller Regel zur Verfügung stellen – auch wenn der Unfallgegner oder das Gericht den Gutachter beauftragt hat.

5. Kann ich einen eigenen Gutachter beauftragen, obwohl der gegnerische Versicherer bereits ein Gutachten zugeschickt hat?

Selbst wenn die gegnerische Versicherung ein eigenes Gutachten bereits hat erstellen lassen, können Sie als Geschädigter Ihren eigenen Gutachter beauftragen.

Verliert die Versicherung vor Gericht, hat sie die Kosten beider Gutachter zu tragen. Dasselbe Risiko droht Ihnen, wenn Sie einen eigenen Gutachter beauftragen.

Etwas anderes gilt nur dann, wenn Sie gegenüber der Versicherung erklärt haben, mit dem vorgeschlagenen Gutachter einverstanden zu sein und keinen eigenen Gutachter beauftragen zu wollen. Deshalb sollten Sie nie vorschnell eine solche Erklärung abgeben.

6. Wie wähle ich einen geeigneten Sachverständigen aus?

Um auf Nummer Sicher zu gehen, sollten Sie stets einen öffentlich vereidigten Sachverständigen heranziehen. Ein Verkehrsanwalt kennt sich in der Regel in der Branche gut aus und kann Ihnen hier einen Gutachter empfehlen. Auch Prüfgesellschaften wie Dekra oder TÜV können einen Kontakt vermitteln.

7. Was passiert bei einem Rechtsstreit?

Oft genug verweigert die gegnerische Versicherung die Zahlung. Dann führt kein Weg daran vorbei, Klage auf Zahlung zu erheben. Sinnvollerweise verklagen Sie gleichzeitig den Unfallgegner selbst.

Im Prozess können dann die gesamten Schäden einschließlich der Kosten für den Gutachter geltend gemacht werden. Beachten Sie aber, dass das Gericht nicht an das Ergebnis Ihres – aber auch nicht das des gegnerischen – Gutachters gebunden ist. Es kann deshalb vorkommen, dass das Gericht einen eigenen Sachverständigen beauftragt. Selbst, wenn Ihr Gutachter zu dem Ergebnis kommt, dass der Unfallgegner den Schaden allein verursacht und Ihnen ein Schaden entstanden ist, kann das Gericht somit Ihre Klage abweisen.

Wegen dieses Risikos sollten Sie bei einem Verkehrsunfall die verschiedenen Optionen mit einem Anwalt für Verkehrsrecht besprechen.

8. Zahlt die Kaskoversicherung einen Gutachter bei Beschädigungen meines eigenen Fahrzeugs?

Haben Sie einen Schaden an Ihrem eigenen Fahrzeug selbst zu verschulden oder ist dieser z. B. durch ein Unwetter entstanden, können Sie Ersatz allenfalls von Ihrem Kaskoversicherer verlangen. Dieser wird – wenn er es für erforderlich hält – einen Gutachter beauftragen. Einen Anspruch darauf haben Sie in der Regel allerdings nicht.

Wenn Sie mit dem Ergebnis des Gutachtens nicht einverstanden sind, können Sie selbst einen anderen Sachverständigen beauftragen. Diese Kosten erhalten Sie in der Regel nicht erstattet. Die Details hängen hier stark von der jeweiligen Versicherungspolice ab. Beachten Sie auch, dass bei Kaskoversicherungen oft eine Selbstbeteiligung fällig wird.

9. Fazit

  • Ein Sachverständigengutachten kann sinnvoll sein, um nach einem Verkehrsunfall die genaue Schadenshöhe zu klären.
  • Der Unfallverursacher muss auch die Kosten des Gutachtens tragen. Bei einem Mitverschulden mehrerer Unfallbeteiligter werden die Kosten nach dem Grad der Mitverursachung geteilt.
  • Der Unfallverursacher muss das Gutachten bei bloßen Bagatellschäden (unter 750 Euro) nicht bezahlen.
  • Achten Sie bei der Auswahl des Sachverständigen darauf, dass dieser öffentlich vereidigt ist.
  • Auch die Versicherung des Gegners darf einen eigenen Gutachter beauftragen. Hierfür müssen Sie ihm Ihr Fahrzeug zur Verfügung stellen. Auch diese Kosten trägt der Unfallverursacher.
  • Bei einem Rechtsstreit ist das Gericht nicht an die Einschätzung des von Ihnen beauftragten Gutachters gebunden. Lassen Sie sich daher hinsichtlich der Erfolgsaussichten einer Klage von einem Anwalt für Verkehrsrecht beraten.
  • Bei der Kaskoversicherung können Sie grundsätzlich keinen eigenen Gutachter auf Kosten der Versicherung beauftragen.