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Lieferverzug: Rücktritt vom Kaufvertrag und Schadensersatz möglich

Ein großer Teil aller Waren wird heute nicht mehr im Geschäft abgeholt, sondern zum Kunden geliefert. Leider kommt die bestellte Ware aber nicht immer pünktlich oder manchmal auch gar nicht an. Wir erklären Ihnen in diesem Beitrag, wann der Verkäufer mit der Ware in Lieferverzug gerät und was Sie in diesem Fall unternehmen können.

1. Wann kommt der Verkäufer mit der Lieferung in Verzug?

Ab welchem Zeitpunkt der Verkäufer mit der Lieferung in Verzug gerät, hängt stets von Ihrem individuellen Kaufvertrag ab.

Grob gesagt, tritt Verzug unter folgenden Voraussetzungen ein:

  • Der Verkäufer hält den vereinbarten Liefertermin nicht ein oder überschreitet seinen Lieferzeitraum.
  • Hierfür trägt er auch die Schuld.
  • Er leistet auch nach einer Mahnung Ihrerseits nicht.

Für den Verzug ist also zunächst entscheidend, wann der Verkäufer Ihnen die Ware hätte liefern müssen. Wurde kein Liefertermin vereinbart und sind Sie Verbraucher (= nicht gewerblicher Käufer), muss der Verkäufer die Lieferung spätestens nach 30 Tagen an Sie übergeben (§ 475 Abs. 1 S. 2 BGB). Allerdings wird in aller Regel eine vertragliche Vereinbarung getroffen (zum Beispiel: „Lieferung in 1-3 Werktagen“).

Oft wird eine Lieferung auch von einer vorherigen Zahlung abhängig gemacht. Dann läuft die Lieferfrist erst ab Eingang Ihrer Zahlung beim Verkäufer. Dazu sollten Sie z.B. bei einer Überweisung circa 1-2 Werktage berücksichtigen, bis das Geld beim Verkäufer eingetroffen ist. Bei anderen Zahlungsmethoden erhält der Verkäufer hingegen sofort die Benachrichtigung, dass das Geld eingegangen ist.

Außerdem ist ein Verschulden des Verkäufers erforderlich. Der Verkäufer muss also „etwas dafürkönnen“, dass die Ware zu spät bei Ihnen ankommt. Dies wird grundsätzlich gesetzlich vermutet. Sie müssen dem Verkäufer also nicht nachweisen, dass ihn ein Verschulden trifft, sondern er muss beweisen, dass er ohne eigenes Verschulden zu spät geliefert hat.

Beispiel: Für Lieferengpässe durch die Corona-Pandemie können die meisten Verkäufer nichts. Denn weder konnte man die Pandemie voraussehen noch kann der Verkäufer etwas daran ändern.
Beachten Sie: Der Verzugseintritt hängt nicht immer davon ab, ob die Ware pünktlich bei Ihnen eingetroffen ist. In den meisten Fällen reicht es aus, wenn der Verkäufer die Ware an ein Transportunternehmen übergeben, die Ware also rechtzeitig versendet hat (sog. „Schickschuld“). Im Regelfall kommt es also auf die rechtzeitige Absendung durch den Verkäufer an. Verzögerungen auf dem Transportweg (z.B. durch Suezkanal-Blockade) sind für einen Verzug dann unerheblich. Ob es auf den Erhalt der Ware oder auf das rechtzeitige Absenden ankommt, hängt von der vertraglichen Vereinbarung ab.

Beispiele:

  • Im Versandhandel kommt es in der Regel darauf an, wann der Verkäufer die Ware an den Transporteur übergibt.
  • Wurde auch die Montage zugesagt, ist natürlich der Zeitpunkt der Montage entscheidend.

2. Wie mahne ich richtig?

Auch bei einer verspäteten Lieferung müssen Sie den Verkäufer in der Regel erst mahnen, damit er in Verzug gerät. Eine Mahnung ist eine Aufforderung an den Verkäufer, die bestellte Ware zu liefern.

Der Grundsatz lautet: Ohne Mahnung kein Verzug.

Damit die Mahnung Verzugsfolgen auslöst, sind folgende Aspekte zu beachten:

  • Präzise Bezeichnung der Bestellung: Mahnungen müssen so formuliert sein, dass sie vom Schuldner klar zugeordnet werden können. Hierzu empfiehlt sich die Angabe von Bestellnummer und Bestelldatum. Hilfreich ist auch eine präzise Bezeichnung der Bestellung. Geben Sie an, was Sie bestellt haben und in welchen Mengen. Je genauer Sie die Bestellung bezeichnen können, umso besser.
  • Schreiben als Mahnung erkennbar: Ihr Aufforderungsschreiben muss für den Verkäufer klar als Mahnung erkennbar sein. Aus diesem Grund verwenden Sie am besten das Wort „Mahnung“ als Überschrift oder Betreff.
  • Besser schriftlich: Mahnungen sind grundsätzlich an keine Form gebunden. Sie können den Verkäufer daher theoretisch auch mündlich mahnen. Aus Beweisgründen ist das aber nicht empfehlenswert. Mahnen Sie Ihren Vertragspartner stets schriftlich. So können Sie den Verzugseintritt leichter beweisen.
  • Fristsetzung: Grundsätzlich reicht es aus, wenn Sie den Verkäufer zur Lieferung auffordern. Eine Frist für die Lieferung müssen Sie nicht setzen. Dennoch ist eine Fristsetzung empfehlenswert, da sie Ihnen weitere Ansprüche sichert (z.B. das Recht, vom Vertrag zurückzutreten). Wie lang die Frist sein sollte, hängt von der ursprünglich vereinbarten Lieferzeit ab. Dem Verkäufer muss aber nicht nochmal ein gleich langer Lieferzeitraum zugebilligt werden.

3. Sonderfall: Verzug ohne Mahnung

In Einzelfällen gerät der Verkäufer mit der Lieferung auch ohne Mahnung in Verzug, wenn er nicht innerhalb des vereinbarten Zeitraums liefert.

Das gilt beispielsweise, wenn Sie sich mit dem Verkäufer ausdrücklich auf einen bestimmten Liefertermin geeinigt haben (die einseitige Bestimmung eines Liefertermins genügt nicht).

Beispiel: A und B haben eine Ferienwohnung ab dem 20.08. im Schwarzwald gebucht. Sie wollen mit dem Auto anreisen. Zwei Wochen vor der Reise geht ihr Auto kaputt und eine kostenfreie Stornierung der Reise ist nicht mehr möglich. Um trotzdem anreisen zu können, bestellen sie besonders zügig im Autohaus ein neues Auto. Der Verkäufer sichert Ihnen vertraglich zu, dass das bestellte Fahrzeug am 19.08. angeliefert wird, sodass A und B pünktlich anreisen können. Kann das Autohaus den Termin nicht einhalten, gerät es auch ohne Mahnung in Verzug.
Beachten Sie aber: Die Angabe eines Lieferzeitraumes („Lieferung in 1-3 Werktagen“) ist nicht als Bestimmung in dieser Hinsicht zu verstehen. Andernfalls würde ein Verkäufer fast immer ohne Mahnung in Verzug geraten.

Auch wenn der Verkäufer die Lieferung ernsthaft und endgültig verweigern sollte, ist eine Mahnung nicht erforderlich. Daneben gibt es noch einige andere Gründe. Im Zweifelsfall sollten Sie aber eine Mahnung aussprechen.

4. Welche Rechte haben Käufer bei Lieferverzug?

Befindet sich der Lieferant in Lieferverzug, stehen Ihnen zahlreiche Rechte zu:

Schadensersatz

Durch den Lieferverzug entstandene Schäden müssen vom Verkäufer ersetzt werden:

Beispiel: A und B aus dem vorherigen Beispiel haben das Auto vom Autohändler nicht rechtzeitig erhalten. Sie haben sich daher kurzfristig ein anderes Auto gemietet, um noch rechtzeitig in den Urlaub fahren zu können. Die Kosten des Mietfahrzeugs muss in der Regel der sich im Verzug befindende Verkäufer tragen.

Oft entsteht Ihnen durch eine verspätete Lieferung aber gar kein Schaden oder ein solcher lässt sich nur schwer darlegen.

Beispiel: C hat Küchenmöbel über das Internet geordert. Die Möbel kommen erst eine Woche später bei ihm an. Zwar kann sich der Verkäufer hier in Verzug befinden. Einen Schaden wird C aber kaum beweisen können.

In diesem Fall können Sie mangels Schaden auch keinen Schadensersatz fordern.

Rücktritt vom Kaufvertrag

War eine pünktliche Lieferung durch den Verkäufer besonders wichtig und war dies auch beiden Parteien klar, berechtigt der Verzug gegebenenfalls zum Rücktritt vom Kaufvertrag.

Beispiel: F hat ein Brautkleid bestellt, weil sie am 01.05. heiratet. Das Brautmodengeschäft weiß vom Hochzeitsdatum und sagt die Lieferung für Ende April zu. Allerdings hat das Geschäft Lieferschwierigkeiten und kann das Kleid doch erst am 03.05. liefern. Da F die Hochzeit nicht verschiebt, kann sie das Brautkleid am 03.05. nicht mehr gebrauchen. Sie kann deshalb fristlos vom Vertrag zurücktreten. Bereits gezahltes Geld erhält sie vom Verkäufer zurück.

Im Übrigen kommt der Rücktritt in Betracht, wenn

  • Sie eine Frist gesetzt haben und der Verkäufer auch bis dahin nicht liefert oder
  • der Verkäufer deutlich zu verstehen gibt, dass er nicht mehr liefern wird (auch ohne Fristsetzung).

Sonstige Rechte bei Lieferverzug

Auch wenn Sie keinen Schadensersatz verlangen oder vom Kaufvertrag zurücktreten möchten, sollten Sie den Verkäufer trotzdem mahnen und dadurch in Verzug setzen. Denn der Verzug löst automatisch eine gesteigerte Haftung des Verkäufers aus. Der Verkäufer trägt während des Verzugs grundsätzlich jedes Risiko der Zerstörung oder Beschädigung der Ware. Das gilt auch für zufällige Schäden, für die niemand etwas kann. Für Verbraucher gilt das im Kaufrecht ohnehin.

5. Wer zahlt die Rechtsanwaltskosten?

Gerät der Verkäufer in Verzug, muss er grundsätzlich die Kosten tragen, die Ihnen aufgrund des Verzugs entstehen. Dazu zählen insbesondere auch Rechtsanwaltskosten zur Durchsetzung Ihrer Rechte. Diese können Sie als Schaden geltend machen.

Beachten Sie aber: Die Kosten der ersten Mahnung tragen Sie selbst, da sich der Verkäufer zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Verzug befindet, sondern dieser erst durch die Mahnung ausgelöst wird.

6. Fazit

  • Liefert der Verkäufer nicht pünktlich und haben Sie ihn gemahnt, kann er in Schuldnerverzug geraten.
  • Eine Mahnung sollte stets schriftlich erfolgen und als solche klar erkennbar sein.
  • Ist der Verkäufer im Verzug, ist er für jede (auch zufällige) Beschädigung der Sache verantwortlich.
  • Entstehen Ihnen durch den Lieferverzug weitere Kosten, können Sie diese vom Verkäufer zurückverlangen.
  • Ein eventueller Aufpreis für eine Ersatzbeschaffung muss gegebenenfalls vom Verkäufer übernommen werden.
  • Liefert der Verkäufer auch nach einer Fristsetzung nicht, können Sie vom Vertrag zurücktreten und Ihre Zahlung herausverlangen. Eine Frist kann unter besonderen Umständen sogar entbehrlich sein.
  • Der Verkäufer trägt alle weiteren notwendigen Kosten des Verzugs, wie z.B. die Rechtsanwaltskosten und die Kosten einer zweiten Mahnung.

7. Häufige Fragen

Wann gerät der Verkäufer in Lieferverzug?
Welche Rechte stehen mir bei Verzug zu?
Wie mache ich meine Rechte geltend?