1. Wann entsteht der Anspruch auf Urlaub?
In Deutschland ist der Urlaubsanspruch gesetzlich geregelt und jedem Arbeitnehmer steht eine feste Mindestzahl an Urlaubstagen zu. Darüber hinaus können durch Arbeits- oder Tarifverträge zusätzliche Erholungstage festgeschrieben sein.
Viele Arbeitnehmer gehen allerdings davon aus, dass Ihnen der Urlaub erst nach dem Ende ihrer Probezeit zusteht. Die gute Nachricht: Das ist nicht korrekt. Die schlechte Nachricht: Der volle Urlaubsanspruch entsteht nach § 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) tatsächlich erst nach sechs Monaten Betriebszugehörigkeit. Das entspricht der zulässigen Höchstdauer für die Probezeit nach § 622 Abs. 3 BGB.
Wird im Arbeitsvertrag eine Probezeit von sechs Monaten vereinbart, so fällt das Ende mit dem Entstehen des vollen Urlaubsanspruchs zusammen. Daher kommt wohl auch der Irrglaube, dass es während der Probezeit keinen Urlaub gibt.
Probezeit bedeutet, dass das Arbeitsverhältnis von beiden Seiten ohne Angabe von Gründen mit einer verkürzten Kündigungsfrist von 14 Tagen gekündigt werden kann. Tatsächlich wird von dieser einfachen Kündigungsmöglichkeit häufig Gebrauch gemacht, wenn der Arbeitgeber von dem neuen Mitarbeiter nicht vollständig überzeugt ist (oder andersherum). Gerade deshalb ziehen es viele Arbeitnehmer vor, in der Probezeit mit besonders guten Leistungen statt mit besonders frühen Urlaubsanträgen aufzufallen.
2. Wie hoch ist der volle Urlaubsanspruch?
Nach § 3 BUrlG haben Arbeitnehmer mit einer Sechstagewoche Anspruch auf 24, Arbeitnehmer mit Fünftagewoche Anspruch auf 20 Urlaubstage im Jahr. Teilzeitkräfte und Aushilfen haben einen kürzeren Urlaubsanspruch, wenn sie weniger Arbeitstage haben als Vollzeitkräfte.
Beispiel: Mitarbeiter A arbeitet an vier Tagen pro Woche je 4 Stunden. Mitarbeiter B arbeitet an 2 Tagen pro Woche je 8 Stunden. Obwohl beide dieselbe wöchentliche Arbeitszeit leisten (16 Stunden), haben sie unterschiedliche Urlaubsansprüche.
Die Urlaubstage berechnen sich wie folgt: 24 : 6 Tage x Anzahl der wöchentlichen Arbeitstage.
Mitarbeiter A hat somit 16 Tage Urlaub. Mitarbeiter B nur 8 Tage.
In Arbeits- und Tarifverträgen kann zu Gunsten des Arbeitnehmers mehr Urlaub vereinbart sein, als das Bundesurlaubsgesetz vorschreibt. Unter diese Mindestgrenze darf man jedoch nicht gehen. Ist das Arbeitsverhältnis nicht in der Probezeit durch Kündigung beendet worden, kann der Arbeitnehmer nach sechsmonatiger Betriebszugehörigkeit seinen vollen Jahresurlaub in Anspruch nehmen.
Zwei Umstände können den Jahresurlaub dabei verkürzen:
- Beginnt das neue Arbeitsverhältnis in der zweiten Hälfte des Kalenderjahres, kann der Arbeitnehmer nur 1/12 des Jahresurlaubs pro Beschäftigungsmonat einfordern.
Beispiel: Mitarbeiter A beginnt am 1. August seinen neuen Job. Ihm stehen laut Arbeitsvertrag 30 Tage Urlaub pro Jahr zu. Da er das Arbeitsverhältnis in der zweiten Jahreshälfte aufnimmt, kann er nur 1/12 x 30 Urlaubstage x 5 Monate (August bis Dezember) = 12,5 Urlaubstage in Anspruch nehmen.
- Hat der Arbeitnehmer im selben Kalenderjahr bereits Urlaub bei einem anderen Arbeitgeber genommen, so kann der neue Arbeitgeber den Urlaub entsprechend kürzen. Er kann von seinem Arbeitnehmer verlangen, dass er eine Urlaubsbescheinigung seines vorherigen Arbeitgebers über den bereits genommenen oder ausbezahlten Urlaub vorlegt.
Beispiel: Mitarbeiter B beginnt am 1. Mai seinen neuen Job. Da das Arbeitsverhältnis in der ersten Jahreshälfte beginnt, steht ihm eigentlich der volle vertragliche Jahresurlaub von 30 Tagen zu. Da er bereits im April bei seinem alten Arbeitgeber 5 Tage Urlaub genommen hatte, wird sein Urlaubsanspruch beim neuen Arbeitgeber um diese Zeit gekürzt. Nach sechsmonatiger Betriebszugehörigkeit steht ihm der volle Urlaubsanspruch in Höhe von (gekürzt) 25 Tagen zu.
3. So viel Urlaub gibt es in der Probezeit
Will man diesen Urlaub noch in der Probezeit antreten, hängt das (wie auch ohne Probezeit) von der Genehmigung des Arbeitgebers ab. Der gesamte Urlaubsanspruch entsteht zwar erst nach Ablauf der sechsmonatigen Wartezeit, einen Anspruch auf den bislang angehäuften Teilurlaub hat man als Arbeitnehmer allerdings schon ab dem ersten Monat. Der Arbeitgeber darf den Urlaubsantrag nicht ohne berechtigten Grund ablehnen (siehe unten).
4. Sonderurlaub wegen besonderer Ereignisse
Auch in der Probezeit kann es vorkommen, dass außergewöhnliche Ereignisse einen oder mehrere freie Tage notwendig machen. Dazu zählen beispielsweise folgende Umstände:
- Das eigene Kind muss betreut oder gepflegt werden und andere Verwandte können die Betreuung nicht übernehmen.
- Ein naher Angehöriger verstirbt.
- Eine Behörde oder ein Gericht hat zu einem Termin geladen, z. B. eine Anhörung.
- Der Arbeitnehmer heiratet.
Selbstredend berechtigt nicht jedes unvorhergesehene Ereignis zum bezahlten „Blaumachen“. Die Rechtsprechung hat mehrfach ausgeführt, dass die Vorschrift eine Ausnahme bildet und als solche eng anzuwenden sei. Bei der eigenen Hochzeit oder einer Geburt haben Arbeitnehmer Anspruch auf einen Tag bezahlten Sonderurlaub. Bei Todesfällen zwischen einem und drei Tagen – je nach Verwandtschaftsgrad. Dieser Urlaub wird zusätzlich zum Jahresurlaub gewährt. Viele Tarifverträge beinhalten Klauseln zum bezahlten Sonderurlaub. Ein Blick in den Vertrag lohnt sich also.
5. Kündigung wegen Urlaubsantrag in der Probezeit?
Rechtlich spricht nichts dagegen, dass ein Arbeitnehmer in der Probezeit Urlaub in Höhe seines bereits „angesammelten“ Urlaubsanspruchs beantragt. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, alle Arbeitnehmer in seine Gesamturlaubsplanung mit einzubeziehen. Er muss also auch die Urlaubswünsche der Mitarbeiter berücksichtigen, die noch in der Probezeit sind!
Praxisbeispiele:
- Ein Kollege ist zur selben Zeit im Urlaub oder seit längerem erkrankt und Sie sind in dieser Zeit die einzige Vertretung. Hier können dringende betriebliche Gründe gegen Ihren Urlaub sprechen.
- Während den Betriebsferien müssen Sie Urlaub nehmen, wenn diese rechtswirksam festgelegt wurden.
- Jedes Jahr im Oktober steigt die Produktion und der Betrieb ist voll ausgelastet. Der Arbeitgeber verweigert Urlaubsanträge für Oktober, da ein dringender betrieblicher Grund vorliegt.
Eine Kündigung wegen „Urlaubsantrag in der Probezeit“ ist jedoch an sich rechtswidrig. Allerdings muss der Arbeitgeber während der Probezeit gerade keinen Grund für eine Kündigung nennen. Daher ist eine Kündigung in der Probezeit nur schwer angreifbar und eine Kündigungsschutzklage meist nicht sinnvoll.
6. Was geschieht mit dem Resturlaub bei Kündigung in der Probezeit?
Wird das Arbeitsverhältnis in der Probezeit gekündigt, bleibt der „angesammelte“ Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers bestehen.
Es gibt dann im Groben zwei Möglichkeiten:
- Der Arbeitnehmer bekommt in den letzten zwei Wochen (Kündigungsfrist) des Arbeitsverhältnisses seine Urlaubstage gewährt.
- Der Arbeitgeber zahlt den Resturlaub aus, wenn ein Freizeitausgleich (teilweise) nicht mehr möglich ist.
Urlaub kann an sich nicht einfach so ausgezahlt werden, denn die Urlaubstage dienen grundsätzlich der Erholung. Darum erlaubt das Gesetz eine Abgeltung der Urlaubstage nur dann, wenn der Resturlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann (§ 7 Abs. 4 BUrlG).
7. Fazit
- In den ersten sechs Monaten besteht noch kein Anspruch auf den vollen Jahresurlaub. Vielmehr sammelt der Arbeitnehmer pro Monat im Betrieb einen Anspruch auf 1/12 seines Jahresurlaubs an. Nach spätestens drei Monaten kann er also fünf Tage frei nehmen (bei einer Fünftagewoche).
- Neben dem regulären Urlaub kommt sog. Sonderurlaub in Betracht. Insbes. Hochzeiten, Trauerfälle enger Angehöriger und Geburten berechtigen dann zu einem oder mehreren freien Tagen.
- Der Arbeitgeber darf einen Urlaubsantrag auch in der Probezeit nur ablehnen, wenn dringende betriebliche Gründe entgegenstehen.
- Eine Kündigung wegen „Urlaubsantrag in der Probezeit“ wäre rechtswidrig. Während der Probezeit muss der Arbeitgeber jedoch gerade keinen Kündigungsgrund angeben.
- Wird das Arbeitsverhältnis gekündigt und kann der offene Resturlaub nicht mehr während der Kündigungsfrist genommen werden, erhält der Arbeitnehmer eine Entschädigung in Geld („Abgeltung“).