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Gehören Duschen und Waschen zur Arbeitszeit?

Zählen Dusch- und Waschzeiten im Zusammenhang mit der Arbeit zur Arbeitszeit? Erfahren Sie, unter welchen Voraussetzungen Arbeitnehmer einen Vergütungsanspruch haben.

Was gilt als Arbeitszeit? Immer wieder müssen sich die Arbeitsgerichte mit der Frage beschäftigen, ob Dusch- bzw. Waschzeiten eines Arbeitnehmers Arbeitszeit darstellen und inwieweit hierfür eine Vergütungspflicht des Arbeitgebers besteht.

1. Definition der Arbeitszeit

Der Begriff der Arbeitszeit ist gesetzlich nicht einheitlich bestimmt; grundsätzlich ist darunter die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen zu verstehen, wie in § 2 Abs. 1 ArbZG definiert.

Das Betriebsverfassungsgesetz versteht die Arbeitszeit als die Zeit, während derer der Arbeitgeber das Ableisten von Arbeit verlangen kann. Daneben bestehen nach dem EU-Recht Richtlinien zur Arbeitszeitgestaltung.

Ob aber Dusch- und Waschzeiten zur Arbeitszeit zählen, ergibt sich nicht aus dem Gesetz.

2. Wann Dusch- und Waschzeiten zur Arbeitszeit zählen

Waschzeiten von Arbeitnehmern, also das Duschen oder Waschen im Betrieb, vor und nach der eigentlichen Arbeit, können vor allem aus zwei Gründen anfallen:

  1. vor Arbeitsantritt aus hygienischen Gründen oder
  2. nach der Arbeit aufgrund Verschmutzung oder Schweißbildung durch die Arbeit

Ob und unter welchen Bedingungen solche Reinigungszeiten zur Arbeitszeit zählen, kann vertraglich bestimmt werden. In einem Arbeitsvertrag, einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung kann konkret geregelt sein, ob und unter welchen Bedingungen Waschzeiten zur Arbeitszeit zählen und welche Vergütung für diese Zeiten zu zahlen ist.

Was gilt nun aber, wenn eine Regelung zu Dusch- und Waschzeiten nicht besteht? Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall eines Müllwerkers festgestellt, dass anfallende Waschzeiten im arbeitsschutzrechtlichen Sinne in aller Regel nicht als Arbeitszeit anzusehen sind. Denn während der Reinigungszeit droht auch nach Ausschöpfung der Höchstarbeitszeitgrenzen keine Gefahr für den Arbeitnehmer, aufgrund derer diese Zeiten in die gesetzliche Arbeitszeit einbezogen werden müssten (BAG, Urt. v. 11.10.2000, 5 AZR 122/99).

Das bedeutet also: Duschen und Waschen im Betrieb zählt nur dann zur Arbeitszeit, wenn dies arbeits- oder tarifvertraglich so bestimmt ist. Fehlt eine Regelung, zählen Reinigungszeiten in aller Regel nicht zur Arbeitszeit.

Wichtig ist aber, die Frage der Arbeitszeit von der Frage der Bezahlung zu trennen. Denn für eine etwaige Vergütung ist die Einordnung als Arbeitszeit nicht allein maßgeblich. Da die Arbeitszeitbestimmungen oft Schutzvorschriften darstellen, geht es bei der Abgrenzung der Arbeitszeit in erster Linie um die Frage, welche Zeiten vom Arbeitsschutz umfasst sind und welche nicht. Für die Vergütungspflicht können gemäß Arbeits- und Tarifvertrag etc. andere Regeln gelten, so dass die vergütungspflichtigen Zeiten von der Arbeitszeit abweichen können. Die Frage, ob eine Tätigkeit zur Arbeitszeit nach Arbeitszeitgesetz etc. zählt oder nicht, ist dann für die Vergütung im Einzelfall unerheblich.

Wenn also nachfolgend von „Arbeitszeit“ die Rede ist, geht es um die vergütungsrechtliche Arbeitszeit. Das sind die Arbeiten, für die der Arbeitnehmer eine Bezahlung verlangen kann.

3. Vergütungspflicht für Dusch- und Waschzeiten

Bei entsprechenden Rechtsstreitigkeiten um die Anerkennung von Dusch- und Waschzeiten als Arbeitszeit geht es letztlich häufig um die Frage, ob und in welcher Höhe ein Arbeitnehmer eine Vergütung für entsprechende Zeiten verlangen kann. Dies ist für Dusch- und Waschzeiten höchstrichterlich noch nicht entschieden worden, so dass eine gesicherte Rechtsprechung hierzu nicht besteht.

Im zuvor genannten Fall des Müllwerkers hat das BAG eine Vergütungspflicht für die Waschzeiten verneint: In der Entscheidung erläuterte das BAG, dass der Mitarbeiter arbeitsvertraglich und arbeitsschutzrechtlich verpflichtet war, während seiner Tätigkeit als Fahrer und Müllwerker genau vorgeschriebene Schutzkleidung zu tragen, diese nur im Umkleideraum des Betriebes anzulegen, sie nach Tätigkeitsende dort zurückzulassen und sich selbst aus hygienischen Gründen einer gründlichen Körperreinigung zu unterziehen.

Hieraus folgerte das BAG, dass die Reinigung also grundsätzlich als zur Haupttätigkeit gehörende Arbeit anzusehen ist.

Weitere Voraussetzung für eine Vergütung dieser Tätigkeit ist aber, dass entsprechend § 612 BGB für die Arbeit auch eine Bezahlung erwartet werden kann.

Dies hat das BAG im Fall des Müllwerkers verneint. Denn zu einer Vergütung der Waschzeiten gab es zum einen keine vertragliche Vereinbarung. Zum anderen konnte der Arbeitnehmer auch nicht erwarten, dass das Waschen zu den Arbeiten zählt, für die der Arbeitgeber üblicherweise eine Vergütung zu zahlen hat.

Hierzu führte das BAG aus, dass die für die Betriebe der Entsorgungswirtschaft geltenden Tarifverträge zwar Bestimmungen zu Umfang und Lage der Arbeitszeit der Beschäftigten, aber keinerlei Regelungen darüber enthalten, welche Tätigkeiten zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit gehören sollen. Das Fehlen einer tariflichen Regelung kann auch nicht damit erklärt werden, dass die Tarifvertragsparteien vielleicht eine Vergütungspflicht als selbstverständlich angenommen haben. Denn die Rechtsprechung zu derlei Vergütungspflichten ist zurückhaltend, was den damaligen Tarifvertragsparteien bekannt gewesen sein dürfte. Die Nichtregelung konnte nach Ansicht des BAG deshalb nur bedeuten, dass eine Bezahlung solcher Zeiten nicht erfolgen sollte. Zudem ist nicht auszuschließen, dass die Erforderlichkeit von Waschzeiten die Höhe des regulären Tariflohns beeinflusst hatte und sie auf diese Weise abgegolten wurden.

Das BAG sah auch keine Anhaltspunkte dafür, dass in diesem Unternehmen eine Vergütungspflicht von Waschzeiten üblich war. Denn betrieblich notwendige Umkleide- und Waschzeiten werden regelmäßig nicht vergütet, soweit dies nicht ausdrücklich vereinbart ist.

Daher stellte das Bundesarbeitsgericht fest, dass im Streitfall die vom Arbeitnehmer benötigte Zeit für Umkleiden und Waschen nach den gesamten Umständen des Falls nicht vergütungspflichtig war. Für eine Vergütungspflicht dieser Zeiten wären in diesem Fall ausdrückliche einzel- oder tarifvertraglicher Regelungen erforderlich gewesen.

Nach der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung des BAG zählen Waschzeiten also – soweit arbeits- oder tarifvertraglich keine anderen Regelungen getroffen worden sind – grundsätzlich nicht zur vergütungsrechtlichen Arbeitszeit.

4. Im Einzelfall: Fremdnützigkeit für Vergütung entscheidend

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat sich in einem Streitfall aus dem Jahr 2015 näher mit den Waschzeiten und deren Vergütungspflicht beschäftigt (LAG Düsseldorf, Beschluss v. 03.08.2015, 9 Sa 425/15). Hierbei ging es um die Vergütung von Umkleide- und Waschzeiten eines bei einem städtischen Verkehrsunternehmen beschäftigten Kfz-Mechanikers.

Das LAG Düsseldorf stellte fest, dass es keine gesicherte Rechtsprechung zu diesen Fragen gebe. Im Einzelfall kann nach Ansicht des LAG aber, ebenfalls wie bei Umkleidezeiten, das Kriterium der Fremdnützigkeit auch für die Vergütung von Waschzeiten entscheidend sein.

Eine ausschließlich fremdnützige Tätigkeit des Arbeitnehmers zählt stets zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit. Ausschließlich fremdnützig ist eine Tätigkeit, wenn sie allein dem Bedürfnis des Arbeitgebers dient. Fremdnützigkeit liegt dagegen nicht vor, wenn die Tätigkeit vor allem ein eigenes Interesse des Arbeitnehmers erfüllt.

Das Landesarbeitsgericht hat diese Grundsätze wie folgt näher ausgeführt:

  • Verschmutzung allein nicht maßgeblich

Es ist danach zu fragen, inwieweit das Waschen auch im Interesse des Arbeitgebers erfolgt. Dies ist allein anhand des Kriteriums der Verschmutzung aber schwierig zu entscheiden. Eine Fremdnützigkeit liegt jedenfalls dann vor, wenn der Arbeitgeber die Reinigung vor Arbeitsbeginn vorschreibt oder dies gesetzlich vorgeschrieben ist, weil die Reinigung hygienisch zwingend notwendig ist.

  • Reinigung vor der Arbeit erforderlich

Ist der Arbeitnehmer verpflichtet, seine Hände vor Antritt der Arbeit zu reinigen und zu desinfizieren, erfolgt auch dies ausschließlich im Interesse der Arbeit. Die Reinigung ist dann fremdnützig und die hierfür aufgewendete Zeit folglich vergütungspflichtige Arbeitszeit.

  • Reinigung nach der Arbeit

Dagegen liegt der Fall bei der Reinigung nach der Arbeit meist anders: Wenn das Reinigen – etwa das Duschen nach der Arbeit – dem persönlichen Bedürfnis des Arbeitnehmers dient, sich von Verschmutzungen zu säubern, Schweißgeruch zu entfernen und sich nach Feierabend wieder frisch zu fühlen, zählt diese Körperhygiene zur Privatsphäre. Für diese Zeiten besteht regelmäßig keine Vergütungspflicht des Arbeitgebers.

Im Fall des KFZ-Mechanikers kam das LAG zu dem Schluss, dass eine Vergütungspflicht für die Duschzeiten nicht bestand. Das Duschen war für die Arbeit hygienisch nicht zwingend erforderlich. Denn die Arbeit erfolgte in der vom Arbeitgeber gestellten Dienstkleidung, die zudem dort gewaschen wurde und im Betrieb verblieb. Das Duschen diente hier also vor allem dem Reinigungsbedürfnis des Mitarbeiters und war daher nicht rein fremdnützig.

5. Fazit

  • Dusch- und Waschzeiten zählen zur Arbeitszeit, wenn dies arbeits- oder tarifvertraglich bestimmt wird.
  • Für die Frage der Vergütung von Dusch- und Waschzeiten können abweichende Regelungen gemäß Arbeits-, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarungen gelten.
  • Dusch- und Waschzeiten sind bei fehlender Regelung einer Vergütung dann zu bezahlen, wenn der Arbeitnehmer hierzu rechtlich verpflichtet ist und die Reinigung ausschließlich fremdnützig ist, also allein im Interesse der Arbeit erfolgt.