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Mitbestimmung des Betriebsrats bei Abmahnungen

Der Betriebsrat muss zwar bei der Erteilung einer Abmahnung nicht beteiligt werden, er hat aber trotzdem einige Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit einer solchen personellen Maßnahme.

1. Inhalt, Ziel und Bedeutung der Abmahnung

Die Abmahnung ist im Arbeitsrecht ein fester Bestandteil des betrieblichen Alltags und nach der Kündigung die von Arbeitnehmern am meisten gefürchtete „Sanktion“. Unabhängig vom Rechtsgebiet versteht man unter einer Abmahnung ganz allgemein eine geschäftsähnliche Handlung mit der entweder eine Vertrags- oder eine Gesetzesverletzung gerügt wird. Gleichzeitig fordert man den Verletzer unter Androhung von Konsequenzen auf, diese in Zukunft zu unterlassen.

Im Arbeitsrecht rügt in der Regel der Arbeitgeber also mit der Abmahnung die Verletzung arbeitsrechtlicher Pflichten durch einen Arbeitnehmer, weist ihn auf seine arbeitsvertragliche Pflicht hin und gibt ihm so eine „zweite Chance“, bevor härtere arbeitsrechtliche Maßnahmen ergriffen werden.

Deshalb bezeichnet man die Abmahnung im Arbeitsrecht häufig als Vorstufe zur Kündigung. Ihre Bedeutung ist deswegen für Betroffene nicht zu unterschätzen, denn eine gerechtfertigte, wirksame Abmahnung kann im schlimmsten Fall den Weg für eine Kündigung ebnen.

Welche Handlungsmöglichkeit und Rechte der Betriebsrat im Falle einer Abmahnung hat, ist deswegen nicht nur für Betriebsräte wichtig, sondern auch für jeden einzelnen Arbeitnehmer!

2. Rechte des Betriebsrats bei personellen Angelegenheiten

Die Handlungsmöglichkeiten und Rechte des Betriebsrats sind in ihrer Art und Wirkung sehr unterschiedlich: Sie bewegen sich in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten zwischen schlichter Information (Informationspflicht gegenüber dem Betriebsrat über bestimmte Fakten), Beteiligung an Entscheidungen und echter Mitwirkung an personellen Maßnahmen.

So hat der Betriebsrat z. B. bei der Versetzung von Arbeitnehmern ein echtes Mitbestimmungsrecht, denn ohne die Zustimmung des Betriebsrates ist die Versetzung unwirksam. Bei einer Kündigung hat der Betriebsrat hingegen nur wenig Mitspracherecht: Er muss zwar vor jeder Kündigung angehört werden und kann zum Sachverhalt Stellung nehmen. Aber ob der Betriebsrat mit der Kündigung einverstanden ist oder nicht, spielt rechtlich keine Rolle.

Als Vorstufe der Kündigung ist die arbeitsrechtliche Abmahnung eine personelle Angelegenheit, bei welcher der Betriebsrat zu beteiligen sein könnte. Denn es stimmt nicht, dass der Betriebsrat in einem solchen Fall gar nicht „mitreden“ darf. Zwar hat der Betriebsrat in der Tat vor Ausspruch einer Abmahnung kein Mitbestimmungs- oder Anhörungsrecht. Aber eine gewisse Möglichkeit zur Einflussnahme besteht durchaus.

3. Grundsätzlich keine Mitbestimmung bei Abmahnungen

Da der Arbeitgeber mit der Abmahnung zunächst lediglich rügt, dass der Arbeitnehmer eine arbeitsvertragliche Pflicht verletzt hat, hat der Betriebsrat vor Ausspruch dieser „Rüge“ keine Rechte und muss nicht im Vorfeld darüber informiert werden, dass eine solche Maßnahme bevorsteht.
Die Abmahnung dient nämlich dazu, einen Arbeitnehmer formell auf ein bestimmtes Fehlverhalten hinzuweisen und ihn zu warnen, dass im Wiederholungsfall die Kündigung droht. Der Arbeitgeber darf deshalb ein vertragswidriges Verhalten seines Arbeitnehmers formell rügen ohne den Betriebsrat zu beteiligen. Nach Ausspruch einer Abmahnung muss der Arbeitgeber den Betriebsrat aber über diesen Vorgang informieren.

Der Betriebsrat hat damit kein Recht, in die Entscheidung über eine Abmahnung einbezogen zu werden, er hat lediglich nach deren Ausspruch einen Informationsanspruch.

Dieser Informationsanspruch betrifft dann sowohl den Ausspruch der Abmahnung an sich, als auch ihren genauen Inhalt und den Sachverhalt, der dieser zugrunde liegt. Da der Informationsanspruch im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) nicht ausdrücklich geregelt ist, wird er von einigen Gegenstimmen abgelehnt. Nach der herrschenden Rechtsauffassung ergibt sich der Anspruch aber daraus, dass Arbeitgeber und Betriebsrat verpflichtet sind, zum Wohle der Arbeitnehmer vertrauensvoll zusammenzuarbeiten.

4. Möglichkeiten des Betriebsrats bei einer ungerechtfertigten Abmahnung

Der Betriebsrat hat zwar vor Erteilung einer Abmahnung keine Rechte, er hat aber nach dieser Rüge der Verletzung von Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verschiedene Aufgaben, Rechte und Pflichten.

Zunächst hat er die Aufgabe, Arbeitnehmer in einer solchen Situation zu beraten. Arbeitnehmer können sich deshalb nach einer Abmahnung Rat und Unterstützung beim Betriebsrat suchen, der diese personelle Maßnahme des Arbeitgebers auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft und eventuell bei einer Gegendarstellung hilft. War die Abmahnung unberechtigt, ist er sogar verpflichtet, den Arbeitgeber zur Rücknahme dieser personellen Maßnahme zu bewegen.

Arbeitnehmer haben also verschiedene Möglichkeiten, gegen eine (ungerechtfertigte) Abmahnung vorzugehen: So können Sie verlangen, dass eine ungerechtfertigte Abmahnung aus ihrer Personalakte entfernt wird und diesen Rechtsanspruch sogar vor dem Arbeitsgericht durchsetzen.
Es gibt aber auch andere Wege, die Abmahnung zu relativieren, die das Arbeitsverhältnis nicht so belasten wie eine gerichtliche Auseinandersetzung: Arbeitnehmer haben nämlich auch das Recht zur Beschwerde. Diese kann bei verschiedenen Stellen eingereicht werden, u.a. auch beim Betriebsrat. Der ist dann verpflichtet, die Beschwerde entgegenzunehmen und zu prüfen. Hält er die Abmahnung für ungerechtfertigt, muss er beim Arbeitgeber auf eine Abhilfe hinwirken.

Zudem hat der Arbeitnehmer immer das Recht, eine entsprechende Gegendarstellung zur Abmahnung zu verfassen. Diese Gegendarstellung muss mit in die Personalakte aufgenommen werden. Will der Arbeitgeber später wegen einer vergleichbaren Pflichtverletzung kündigen, muss dem Betriebsrat sowohl die Abmahnung als auch die Gegendarstellung vorgelegt werden. Andernfalls wurde der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört mit der Folge, dass die Kündigung unwirksam ist.

5. Beteiligung des Betriebsrats bei einer Betriebsbuße

Etwas anderes gilt, wenn es sich bei einer „Rüge von Fehlverhalten“ nicht nur um eine Abmahnung handelt, sondern (zugleich) um eine sog. Betriebsbuße. Diese zwei Maßnahmen aus dem Arbeitsrecht sind dabei nicht immer ganz leicht zu unterscheiden: Während die Abmahnung lediglich eine Warn- und Rügefunktion hat, geht die Betriebsbuße weiter und enthält auch einen Buß- bzw. Strafcharakter.

Die Betriebsbuße richtet sich nicht gegen die Verletzung von arbeitsvertraglichen Pflichten, sondern ahndet einen Verstoß gegen die betriebliche Ordnung. Eine solche Verletzung von Regeln der betrieblichen Ordnung kann z. B. die Verletzung des betrieblichen Alkoholverbots oder von Arbeitsschutzvorschriften sein. Sie ist deshalb eine echte Disziplinarmaßnahme, die von einer schlichten Verwarnung bis hin zu einer Geldbuße reichen kann. Da die Verletzung der betrieblichen Ordnung zugleich ein Verstoß von arbeitsvertraglichen Pflichten ist, kann der Arbeitgeber bei einem solchen Fehlverhalten sowohl eine Abmahnung aussprechen als auch eine Betriebsbuße verhängen.

Dabei gilt: Verhängt der Arbeitgeber eine Betriebsbuße muss der Betriebsrat beteiligt werden – er muss dieser Maßnahme zustimmen. In einem solchen Fall hat der Betriebsrat ein echtes Mitbestimmungsrecht.

Erfolgt die Betriebsbuße in Form einer schriftlichen Verwarnung, fällt die Unterscheidung zwischen Abmahnung und Betriebsbuße allerdings oft nicht leicht. Entscheidend für die Frage der Mitbestimmung ist deshalb häuft der exakte Wortlaut der „Rüge“: Rügt der Arbeitgeber „nur“ ein vertragswidriges Verhalten (ständige Verspätung, unangemessener Ton gegenüber Vorgesetzten etc.), muss er den Betriebsrat nicht beteiligen. Geht der Wortlaut darüber hinaus und bezieht sich auf die betriebliche Ordnung, benötigt der Arbeitgeber hingegen die Zustimmung des Betriebsrats.

6. Betriebsvereinbarung über die Beteiligung des Betriebsrats

Welche Rechte der Betriebsrat im Fall einer Abmahnung hat und wie er zu beteiligen ist, kann auch Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Wenn eine solche Vereinbarung existiert, kann der Betriebsrat umfangreichere Mitbestimmungsrechte haben, als sie gesetzlich vorgesehen sind.

Eine solche Betriebsvereinbarung kann dann z. B. die Grundsätze der Abmahnungserteilung regeln oder Abmahnfristen, Regelungen zur Anhörung oder Unterrichtung des Betriebsrats, die Durchführung eines Abmahngesprächs mit oder ohne Betriebsrat sowie Verjährungsfristen in Bezug auf eine Abmahnung enthalten.

7. Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Abmahnung eine individualvertragliche Maßnahme ist, bei der der Betriebsrat nicht im Vorfeld beteiligt werden muss. Nach einer solchen Maßnahme hat der Betriebsrat aber durchaus Rechte und Pflichten.

Sowohl für Arbeitnehmer, für Betriebsratsmitglieder als auch für Arbeitgeber ist deshalb wichtig zu wissen:

  • Die Abmahnung ist eine Vorstufe zur Kündigung – Ihre Bedeutung darf man deswegen nicht unterschätzen!
  • Vor Ausspruch einer Abmahnung muss der Betriebsrat dazu nicht angehört oder um Zustimmung gefragt werden. Im Nachgang muss der über eine Abmahnung umfassend informiert werden (Informationsanspruch).
  • Der Betriebsrat unterstützt und berät Arbeitnehmer nach einer Abmahnung. War die „Rüge“ ungerechtfertigt, versucht der Betriebsrat den Arbeitgeber dazu zu bewegen, die Maßnahme rückgängig zu machen.
  • Mehr Rechte hat der Betriebsrat nur bei arbeitsrechtlichen Maßnahmen wie z. B. der Versetzung. Eine Versetzung ist nicht ohne seine Zustimmung möglich! Auch bei einer Betriebsbuße muss der Betriebsrat zustimmen (echtes Mitbestimmungsrecht).