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Nutzungsentschädigung beim Rücktritt vom Autokauf

Wer vom Autokauf zurücktritt, muss nicht nur das Fahrzeug zurückgeben, sondern auch eine Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer an der Fahrzeugverkäufer erstatten. Wie wird diese Nutzungsvergütung berechnet, was gibt es dabei zu beachten?

1. Nutzungsentschädigung nach Rücktritt

Wie in unserem Beitrag zum Rücktritt vom Auto-Kaufvertrag geschildert, kann derjenige vom Kaufvertrag für ein Auto zurücktreten, bei dem die (gesetzlichen) Voraussetzungen für einen Rücktritt vorliegen, etwa beim Vorliegen eines erheblichen Sachmangels und einer fehlgeschlagenen Nachbesserung.

Durch den Rücktritt wandelt sich der Kaufvertrag in ein sog. Rückgewährschuldverhältnis, d.h. der Käufer muss das Fahrzeug zurückgeben, der Verkäufer den Kaufpreis zurückzahlen. Da Käufer und Verkäufer vermögensmäßig so gestellt werden sollen, wie sie es vor dem Kauf waren, kann vom Verkäufer für mit dem Auto bereits gefahrene Kilometer eine Nutzungsentschädigung gegen den Käufer geltend gemacht werden. Diese wird in der Regel bei der Rückzahlung des Kaufpreises in Abzug gebracht. Wie wird diese Nutzungsentschädigung berechnet?

2. Berechnung der Nutzungsentschädigung

Die Berechnung der Nutzungsentschädigung wird von folgender Überlegung getragen: Da der Verkäufer eines Neuwagens einen Wagen mit einer bestimmten Gesamtkilometerleistung zu einem festen Kaufpreis übergeben hat, muss dem Verkäufer der Verlust an verbleibenden Gesamtkilometern (Gesamtkilometer – gefahrene Kilometer) erstattet werden, da der Wert des Autos um die Anzahl dieser gefahrenen Kilometer vermindert wurde.

Die Nutzungsentschädigung berechnet sich also aus dem

Bruttokaufpreis x Anzahl gefahrener Kilometer : zu erwartende Gesamtlaufleistung.

Beispiel: Hat ein Fahrzeug 50.000 Euro gekostet und wurden mit diesem Fahrzeug 1.000 km bei einer zu erwartenden Gesamtlaufleistung von 250.000 km gefahren, beträgt der Nutzungsersatz also 50.000 Euro x 1000 km : 250.000 km = 200 Euro.

3. Gesamtlaufleistung und Pauschalwerte zur Entschädigungsberechnung

Für die Ermittlung der Nutzungsentschädigung werden zur Rechenerleichterung bei Neufahrzeugen oft Pauschalwerte verwendet, etwa die 0,67-Prozent-Pauschale. Demnach soll die Nutzungsentschädigung 0,67 Prozent des Neupreises pro gefahrenen 1000 km betragen. Diese Pauschale errechnet sich aus der o.g. Rechenformel, wenn man von einer Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs von 150.000 km ausgeht.

Durch technische Neuerungen und bessere Fahrzeuge mit einer längeren Lebensdauer ist jedoch bei immer mehr Fahrzeugen von einer höheren Gesamtlaufleistung als 150.000 km auszugehen, was sich für den Autoverkäufer (KFZ-Händler) im Ergebnis nachteilig auf die Höhe der Nutzungsentschädigung auswirkt; denn die Nutzungsentschädigung sinkt umso mehr anteilig, je höher die (mutmaßliche) Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs angesetzt wird. Bei einer angenommenen Gesamtlaufleistung von 200.000 km beträgt der Prozentwert pro gefahrenen Kilometern etwa nur noch 0,5 Prozent. Dennoch wird bei Streitigkeiten vor Gericht oft immer noch die 0,67-Prozent-Pauschale zur Berechnung der Nutzungsentschädigung angesetzt.

4. Fahrzeugtypen und Rechtsprechung zur Gesamtlaufleistung

Da Pauschalwerte letztlich nur der Vereinfachung dienen und vor Gericht der konkrete Einzelfall, d.h. das jeweilige Fahrzeug maßgeblich ist, wird vor den deutschen Gerichten immer wieder darüber gestritten, bei welchem Fahrzeugtyp von welcher Gesamtfahrleistung auszugehen ist. Die Gerichte weichen dabei immer häufiger von der 0,67-Prozent-Pauschale ab, wenn es um neuere und teure Fahrzeugtypen geht. Inzwischen hat sich hierzu eine umfangreiche Rechtsprechung gebildet, hier nur einige Beispiele:

Für Fahrzeuge der gehobenen Mittelklasse (z.B. VW Sharan) wurde vom OLG Saarbrücken (Urt. v. 22.06.2005 – Az. 1 U 567/04-167) eine Gesamtlaufleistung von 200.000 km (ergibt einen Prozentwert von 0,5) angesetzt, für Dieselfahrzeuge mit sehr ausdauernden Motoren und 6-Zylinder-Fahrzeuge eine Gesamtlaufleistung von 250.000 km (ergibt einen Prozentwert von 0,4).

Bei einem Mercedes 560 SEC nahm das OLG Hamm (Urteil vom 17.12.1996 – Az. 27 U 152/96) eine Gesamtfahrleistung von 300.000 km (Prozentwert 0.33 pro gefahrenen 1.000 km) an.

5. Gebrauchtfahrzeuge

Beim Kauf eines Gebrauchtwagens muss die zu erwartende Gesamtlaufleistung durch die zu erwartende Restlaufleistung seit dem Kauf (zu erwartende Gesamtlaufleistung – Tachostand beim Kauf) ersetzt werden, da der Käufer nur diese Kilometerleistung erwirbt.

Beispiel: Hatte das Fahrzeug beim Verkauf einen Tachostand von 50.000 km und wurde zu einem Kaufpreis von 25.000 Euro verkauft, errechnet sich die Nutzungsentschädigung bei 1000 gefahrenen Kilometern und einer Gesamtlaufleistung von 250.000 km wie folgt:

25.000 Euro x 1000 km : (250.000 km – 50.000 km) = 125 Euro.

Die für Neufahrzeuge beschriebenen Pauschalwerte gelten hier nicht – dies gilt schon deshalb, weil die bereits erbrachte Laufleistung (Tachostand) beim Kauf immer unterschiedlich sein wird.

Ist bei dem Gebrauchtwagen eine Tachomanipulation bekannt, ist für die Berechnung der Restlaufleistung nicht der Tachowert, sondern die mutmaßliche wirkliche Laufleistung zum Zeitpunkt des Kaufes von der Gesamtfahrleistung in Abzug zu bringen (OLG Koblenz, Urt. v. 01.04.2004 – Az. 5 U 1385/03).

6. Weitere Streitpunkte

Musste der Käufer zum Zwecke der Nachbesserung (vor dem Rücktritt) die Werkstatt des Verkäufers häufiger aufsuchen und liegt diese Werkstatt weiter entfernt, kann der Käufer die dafür zurückgelegten Kilometer von den von ihm insgesamt gefahrenen Kilometern zur Berechnung der Nutzungsentschädigung des Verkäufers wiederum abziehen (OLG München, Urt. v. 26.10.2011 – Az. 3 U 1853/11).

Ein Abschlag von den gefahrenen Kilometern wegen Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht, wenn die Benutzbarkeit des Wagens aufgrund des Mangels stark eingeschränkt war. Bloße „Komforteinbußen“ – etwa starkes Ruckeln des Wagens bei Beschleunigung – sind dagegen hinzunehmen (OLG Hamm, Urt. v. 05.08.2010 – Az. I-28 U 22/10).

Ob der Nutzungsersatz Mwst-/Umsatzsteuerpflichtig ist, ist umstritten (vgl. LG Braunschweig, Urt. v. 14.03.2008 – Az. 4 O 2804/07).

Handelt es sich bei dem Fahrzeugkäufer um einen Verbraucher nach § 13 BGB, der das Fahrzeug zur privaten Nutzung erwirbt, scheidet ein Nutzungsersatz aus, wenn der Käufer wegen Mangelhaftigkeit einen Ersatzwagen im Umtausch gegen den defekten Wagen erhält. Wird das Fahrzeug in einem solchen Fall jedoch gegen einen anderen Fahrzeugtyp getauscht, ist die vorige Nutzung ersatzpflichtig. Es ist dann von einem Rücktritt vom ersten Kauf und anschließendem Neukauf eines anderen Wagens auszugehen (LG Nürnberg v. 18.02.2010 – Az. 16 S 5198/10).

7. Fazit und Praxistipp

Festzuhalten bleibt: Wer vom Kaufvertrag zurücktritt, sollte genau darauf achten, wie der Verkäufer die Nutzungsentschädigung berechnet bzw. welchen Pauschalwert er zugrunde legt. Pauschalwerte gehen nämlich nicht selten zulasten des Käufers, da die Fahrzeuglaufleistung zu niedrig und der Pauschalwert damit zu hoch angesetzt wird.

Kommt ein Streit wegen Berechnung der Nutzungsentschädigung vor Gericht und ergeht ein Urteil über die zu zahlende Nutzungsentschädigung, muss der Urteilstenor (Urteilskopf) übrigens eine exakte Bezifferung der Nutzungsentschädigung enthalten. Nicht ausreichend ist die Verwendung einer Rechenformel, die eine der oben genannten Pauschalen enthält. Ein solches Urteil ist nicht vollstreckungsfähig!