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Überstundenregelung im Arbeitsvertrag oder Gesetz

Nicht selten verlangen Arbeitgeber ihren Mitarbeitern Überstunden ab. Verweigern sich diese der Mehrarbeit, droht manch Arbeitgeber sogar mit der Kündigung. Wann Arbeitnehmer Überstunden leisten müssen und was bei einer Weigerung passieren kann, erfahren Sie in diesem Beitrag.

1. Kann der Arbeitgeber Überstunden verlangen?

Grundsätzlich sind Sie nicht dazu verpflichtet, Überstunden zu leisten. In vielen Arbeits- oder Tarifverträgen ist die wöchentliche Arbeitszeit genau festgehalten. An diese Regelungen ist der Arbeitgeber gebunden. Er kann daher auch aufgrund seines Weisungsrechts nicht einfach so Überstunden anordnen.

Wie so oft gilt aber: Keine Regel ohne Ausnahme. Es gibt Vereinbarungen, aufgrund derer Ihr Arbeitgeber doch Überstunden verlangen kann. Wann genau das der Fall ist, zeigen wir Ihnen in den folgenden Abschnitten.

Einzelvereinbarung

Eine häufige Situation: Während der Arbeit fragt Sie Ihr Arbeitgeber spontan, ob Sie länger bleiben und mehr Stunden leisten können. Wenn Sie zustimmen, haben Sie sich mit Ihrem Arbeitgeber auf Überstunden geeinigt. Eine solche Absprache kann für einen bestimmten Einzelfall oder einen längeren Zeitraum getroffen werden.

Merken Sie sich aber, dass Sie sich grundsätzlich frei entscheiden dürfen! Sie müssen Ihrem Arbeitgeber nicht zustimmen. Ein „Nein“ reicht aus, damit die Einzelvereinbarung nicht zu Stande kommt. Ob dies dem Klima am Arbeitsplatz förderlich ist, bleibt natürlich eine andere Frage. Ihre Weigerung rechtfertigt aber grundsätzlich keine Kündigung. Arbeitnehmer in Betrieben mit zehn oder weniger Mitarbeitern sowie in der Probezeit haben jedoch einen geringen Kündigungsschutz – hier hat der Arbeitgeber geringe Hürden, wenn er einen Mitarbeiter kündigen will.

Wichtig: Eine Vereinbarung über Überstunden muss nicht schriftlich getroffen werden. Eine mündliche Absprache reicht vollkommen aus. Seien Sie daher vorsichtig bei mündlichen Zusagen gegenüber Ihrem Arbeitgeber.

Selbst eine Schriftformklausel im Arbeitsvertrag ändert hieran meist nichts, da individuelle Vereinbarungen zwischen Ihnen und Ihrem Arbeitgeber grundsätzlich vorgehen.

Arbeitsvertrag

Häufig sehen Arbeitsverträge die begrenzte Leistung von Überstunden vor. Eine solche Regelung ist aber nicht immer rechtmäßig. Damit solche Klauseln wirksam sind, muss die Höchstzahl der zu leistenden Überstunden festgelegt werden. Der Arbeitnehmer soll vorher genau wissen, wie viele Überstunden er eventuell leisten muss.

Hält Ihr Arbeitgeber sich nicht an diese Vorgaben, ist die Regelung unwirksam und Sie müssen keine Überstunden leisten.

Beispiel: Laut Arbeitsvertrag sind die ersten fünf Überstunden im Monat mit dem Gehalt abgegolten. Diese Klausel sieht die Rechtsprechung als transparent und verständlich für den Arbeitnehmer an. Daher ist diese Regelung wirksam. Würde Ihr Arbeitgeber hingegen keine genaue Stundenzahl festlegen, wäre die Vereinbarung grundsätzlich unwirksam.

Seien Sie aber vorsichtig! Juristische Laien können nicht erkennen, ob eine Klausel rechtlich zulässig ist oder nicht. Wenn Sie an der Wirksamkeit einer Überstundenregelung zweifeln, sollten Sie Ihren Arbeitsvertrag von einem Rechtsanwalt prüfen lassen. Nur so können Sie mit Sicherheit wissen, was Ihr Arbeitgeber von Ihnen verlangen darf.

Betriebsvereinbarung

Gibt es einen Betriebsrat, vertritt dieser die Arbeitnehmer gegenüber ihrem Arbeitgeber. Er hat daher in vielen Angelegenheiten ein Mitbestimmungsrecht. Auch bei Überstunden hat der Betriebsrat ein Wörtchen mitzureden (7 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG). So soll der Betriebsrat verhindern können, dass Arbeitnehmer überlastet werden.

Der Arbeitgeber muss sich daher vor der Anordnung von Überstunden an den Betriebsrat wenden und sich mit diesem einigen. Diese Einigung wird dann in Form einer Betriebsvereinbarung festgehalten. Darin wird geregelt, unter welchen Umständen und in welchem Umfang Überstunden angeordnet werden dürfen.

Ordnet Ihr Arbeitgeber ohne die Zustimmung des Betriebsrats Überstunden an, ist die Maßnahme unwirksam. Sie dürfen die geforderten Überstunden dann verweigern. Beachten Sie aber, dass der Arbeitgeber sich auch an die Einigungsstelle wenden kann. Diese kann die Mitwirkung des Betriebsrats ersetzen.

Tarifvertrag

Schließlich können auch Tarifverträge Regelungen zu Überstunden enthalten. So bestimmen beispielsweise die §§ 7, 8 TVöD, wann ein Beschäftigter Überstunden leistet und wie diese vergütet werden sollen. Derart genaue Vorschriften sind für Arbeitnehmer oft vorteilhaft.

Nicht jedes Arbeitsverhältnis wird aber durch einen Tarifvertrag geregelt. Ein Tarifvertrag kann auf unterschiedliche Weise auf Ihr Arbeitsverhältnis Anwendung finden:

  • Sie sind Mitglied in einer Gewerkschaft, die einen Tarifvertrag abgeschlossen hat. Gleichzeitig muss Ihr Arbeitgeber Mitglied des tarifvertragsschließenden Arbeitgeberverbandes sein (Verbandstarifvertrag) oder selbst den Tarifvertrag als Partei abgeschlossen haben (Firmentarifvertrag).
  • Der Tarifvertrag kann auch gelten, weil Sie mit Ihrem Arbeitgeber vereinbart haben, dass ein bestimmter Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden soll. Arbeitnehmer, die nicht in einer Gewerkschaft sind, werden so meist mit Gewerkschaftsmitgliedern gleichgestellt.

2. Rechtfertigen Notlagen Überstunden?

In Notsituationen kann Ihr Arbeitgeber auch ohne ausdrückliche Regelung Überstunden von Ihnen verlangen.

Mit einer Notlage ist eine Situation gemeint, in der ein unvorhergesehenes Ereignis die Existenz des Betriebs gefährdet. In diesem Fall kann Ihr Arbeitgeber von Ihnen nicht nur Überstunden verlangen, sondern Sie sogar anweisen, vorübergehend auch fachfremde Arbeit zu leisten.

Beispiele, in denen der Arbeitgeber ohne Vereinbarung Überstunden fordern kann:

  • Brände
  • Überschwemmungen
  • Andere Katastrophen, insbesondere Naturkatastrophen

Beispiele, in denen der Arbeitgeber ohne Vereinbarung keine Überstunden fordern kann:

  • Plötzlicher Großauftrag
  • Verspätet eintreffende große Warenlieferung
  • Arbeitskräftemangel in der Urlaubszeit
  • Saisonale Produktionsschwankungen

3. Warum sind freiwillige Überstunden riskant?

Viele Arbeitnehmer wollen Ihrem Arbeitgeber positiv auffallen und leisten daher freiwillig und ohne Rücksprache Überstunden. Von einem solchen Vorgehen kann Ihnen jedoch nur abgeraten werden. Sprechen Sie die Überstunden immer vorher mit Ihrem Arbeitgeber ab!

Ohne vorherige Rücksprache können Sie sich nicht sicher sein, ob Sie die Überstunden auch wirklich leisten sollen. Das kann sich schnell auf Ihre Bezahlung auswirken. Denn damit Überstunden vergütet werden, muss Ihr Arbeitgeber die Überstunden selbst anordnen. Unter Umständen werden Sie daher ohne vorherige Absprache für Ihre zusätzliche Arbeit gar nicht bezahlt.

Fragen Sie sich daher immer, ob Ihr Arbeitgeber die Überstunden angeordnet oder bewilligt hat. Das gilt zum Beispiel in folgenden Fällen:

  • Ihr Arbeitgeber weist Sie ausdrücklich schriftlich oder mündlich an, Überstunden zu leisten.
  • Ihr Arbeitgeber weist Ihnen Arbeit in einem Umfang zu, die zu einem bestimmten Zeitpunkt erledigt sein muss und nur durch Überstunden zu bewältigen ist. Die Übertragung von Arbeit, die nicht in der Regelarbeitszeit fertiggestellt werden kann, ist eine Überstundenanordnung.
  • Auch die nachträgliche Zustimmung des Arbeitgebers zu Ihren bereits geleisteten Überstunden reicht aus.
  • Der Arbeitgeber duldet die Überstunden. Dazu muss er von den Überstunden wissen und diese zugelassen haben. Will der Arbeitgeber die Überstunden nicht, muss er diese unterbinden.

4. Wie lange darf maximal gearbeitet werden?

Der Arbeitgeber darf nicht unbeschränkt Überstunden verlangen. Grenzen für die Arbeitszeit setzt das Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Grundsätzlich schreibt dieses einen Acht-Stunden-Tag vor (§ 3 ArbZG). Die Pausen zählen nicht als Arbeitszeit. Wichtig zu wissen ist, dass das Arbeitszeitgesetz von einer Sechs-Tage-Woche ausgeht. Sie können daher 48 Stunden pro Woche arbeiten.

Die Arbeitszeit kann zudem vorübergehend auf zehn Stunden pro Tag (plus Pause) erhöht werden. Das geht aber nur dann, wenn innerhalb eines Ausgleichszeitraums von sechs Monaten bzw. 24 Kalenderwochen im Durchschnitt nur acht Stunden gearbeitet wird.

Beispiel: Ihr Arbeitgeber verlangt von Ihnen über Monate hinweg, dass Sie von montags bis donnerstags zehn anstatt acht Stunden arbeiten. Dafür arbeiten Sie jedoch freitags nur acht Stunden. Insgesamt arbeiten Sie damit in der Woche 48 Stunden. Da das Arbeitszeitgesetz von einer sechs Tage Woche ausgeht, arbeiten Sie nur 8 Stunden im Schnitt. Die Grenze des Arbeitszeitgesetzes wird nicht überschritten.

Beachten Sie zudem, dass Tarifverträge vom Arbeitszeitgesetz teilweise abweichen dürfen (§ 7 ArbZG).

5. Darf der Arbeitgeber kündigen, wenn Sie Überstunden verweigern?

Ihr Arbeitgeber darf Ihnen wegen verweigerter Überstunden nur kündigen, wenn die Anordnung der Überstunden auch rechtmäßig war. Denn in diesem Fall ist Ihre Weigerung eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung und stellt einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund dar (§ 1 Abs. 2 KSchG).

Verlangt Ihr Arbeitgeber hingegen ohne rechtliche Grundlage oder aufgrund einer unwirksamen Regelung Überstunden, müssen Sie keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen fürchten. Eine Verweigerung der Überstunden ist zudem auch dann möglich, wenn das Arbeitszeitgesetz verletzt wird.

Doch auch wenn Sie unberechtigt die Überstunden verweigern, droht Ihnen nicht sofort die Kündigung. Ihr Arbeitgeber muss Sie vor Ihrer Entlassung in der Regel mindestens einmal abmahnen. In vielen Fällen sind sogar mehrere Abmahnungen erforderlich. So bekommen Sie die Chance, Ihr Verhalten in der Zukunft zu bessern und rechtmäßigen Anordnungen Ihres Arbeitgebers Folge zu leisten.
Aber Achtung: In den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses ist kein Kündigungsgrund und auch keine Abmahnung erforderlich, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis beenden will. Gleiches gilt in Kleinbetrieben mit nicht mehr als zehn Arbeitnehmern.

6. Fazit

  • Grundsätzlich sind Sie nicht verpflichtet, Überstunden zu leisten.
  • Ihr Arbeitgeber kann Überstunden verlangen, wenn er mit Ihnen eine mündliche oder schriftliche Vereinbarung getroffen hat oder Ihr Arbeitsvertrag Überstunden vorschreibt.
  • Auch in einer Betriebsvereinbarung oder in Tarifverträgen können Überstunden geregelt werden.
  • Wenn keine dieser Vereinbarungen besteht, darf der Arbeitgeber Überstunden nur im Falle einer Notlage anordnen.
  • Wenn der Arbeitgeber die Überstunden angeordnet hat, seine Zustimmung nachträglich erteilt oder freiwillige Überstunden duldet, werden die Überstunden vergütet. Etwas anderes gilt oft z. B. für Führungskräfte.
  • Ihr Arbeitgeber kann wegen der Verweigerung von Überstunden nur kündigen, wenn diese rechtmäßig angeordnet wurden. In der Regel müssen Sie vorher abgemahnt werden.
  • In Kleinbetrieben und während der Probezeit bedarf es weder eines Kündigungsgrundes noch einer Abmahnung. Eine Kündigung wegen (rechtmäßig) verweigerter Überstunden ist hier schwieriger anzugreifen.