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Abstand nicht eingehalten in der Probezeit – lohnt sich der Einspruch?

Wer als Fahranfänger zu dicht auffährt, riskiert eine Verlängerung der Probezeit oder sogar den Entzug der Fahrerlaubnis. Hier erfahren Sie, wie diese Folgen vermieden werden können.

1. Dieser Abstand ist einzuhalten

Der erforderliche Mindestabstand ist in § 4 der Straßenverkehrsordnung (StVO) geregelt. Hiernach muss die Distanz zu einem vorausfahrenden Fahrzeug in der Regel so groß sein, dass auch beim plötzlichen Abbremsen dieses Fahrzeug noch dahinter angehalten werden kann.

Mit anderen Worten: Der Abstand muss so bemessen sein, dass der Fahrzeugführer ein Auffahren sicher vermeiden kann.

Wie groß der einzuhaltende Abstand sein muss, richtet sich vor allem nach

  • der Geschwindigkeit
  • den Wetterverhältnissen
  • der Verkehrssituation
  • und den örtlichen Gegebenheiten.

Für die Berechnung des Mindestabstands bestehen zwei unterschiedliche Methoden. Welche davon vorzugswürdig ist, wurde noch nicht eindeutig geklärt:

  1. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Sicherheitsabstand ausreichend, wenn er – unter gewöhnlichen Umständen – die Strecke, die der Hintermann in etwa 1,5 Sekunden zurücklegt, deutlich übersteigt.
  2. Laut Bußgeldkatalog gilt hingegen ein anderer Maßstab. Hiernach ist der Sicherheitsabstand dann ausreichend, wenn er mindestens die Hälfte des Tachowertes beträgt.
Die Faustformel lautet also „Abstand = halbe Tachometerzahl“.

Aus dieser Formel ergibt sich eine innerhalb von 1,8 Sekunden zurückgelegte Strecke. Dies reicht in der Regel selbst unter schwierigen Verhältnissen aus, um bei plötzlichem Bremsen des vorausfahrenden Fahrzeugs einen Zusammenstoß zu vermeiden.

Außerhalb geschlossener Ortschaften sollten Sie sich daher am halben Tachowert orientieren. Je nach Vorwurf bestehen aber noch gute Verteidigungschancen, wenn zumindest der Abstand nach der 1,5-Sekunden-Regel eingehalten wurde.

Innerhalb geschlossener Ortschaften reicht aufgrund der geringeren Geschwindigkeit ein Abstand einer Strecke, die in einer Sekunde gefahren wird. Das wären bei 50 km/h ungefähr 15 Meter. Dies entspricht in etwa drei Autolängen.

2. Ausnahmen

Wie bereits erwähnt ist der erforderliche Mindestabstand keine feste Größe. In einigen Fällen kann ein größerer Abstand erforderlich, in anderen ein kürzerer Abstand erlaubt sein. Die genaue Bestimmung ist eine Frage des Einzelfalls.

Geringerer Abstand erlaubt

In verschiedenen Situationen kann es erlaubt sein, den sonst erforderlichen Mindestabstand zu unterschreiten:

  • Dies ist in der Regel beim langsamen Kolonnenfahren auf der Autobahn der Fall.
  • Auch beim Überholen darf der Abstand zum Vordermann verringert werden. Allerdings erst dann, wenn zügig an dem zu Überholenden vorbeigefahren werden kann.
  • Ebenso im dichten Stadtverkehr beim Anfahren von einer Ampel.

Größerer Abstand erforderlich

Ein größerer Abstand ist erforderlich, wenn der Hintermann die Fahrbahn nicht hinreichend überblicken kann und jederzeit damit rechnen muss, dass der Vorausfahrende plötzlich bremst oder einem Hindernis ausweicht. Dies ist etwa in diesen Konstellationen der Fall:

  • Dichter Nebel
  • Kurvige und schnelle Straße
  • Sicht durch hohen Aufbau des vorderen Fahrzeugs blockiert

3. Was droht bei zu dichtem Auffahren?

Bei kleineren Abstandsverstößen ist lediglich ein Bußgeld zu entrichten. Je nach Gefährlichkeit des Verstoßes drohen allerdings auch Punkte in Flensburg oder sogar ein Fahrverbot.

Die genaue Höhe des Bußgeldes richtet sich maßgeblich nach

  • der eigenen Geschwindigkeit und
  • dem tatsächlichen Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug.

Bei einer Geschwindigkeit von maximal 80 km/h ist nur mit einem Bußgeld zu rechnen. Bei schnellerem Tempo gibt es den ersten Punkt. Ein Fahrverbot droht ab einer Geschwindigkeit von über 100 km/h.

Die Einzelheiten sind dem aktuellen Bußgeldkatalog zu entnehmen:

Tatbestand Bußgeld Punkte Fahrverbot
Abstandsverstoß mit bis zu 80 km/h 25 €
… mit Gefährdung 30 €
… mit Sachbeschädigung 35 €
Abstandsverstoß mit mehr als 80 km/h
… Abstand weniger als 5/10 des halben Tachowertes 75 € 1
… Abstand weniger als 4/10 des halben Tachowertes 100 € 1
… Abstand weniger als 3/10 des halben Tachowertes 160 € 1
… Abstand weniger als 2/10 des halben Tachowertes 240 € 1
… Abstand weniger als 1/10 des halben Tachowertes 320 € 1
Abstandsverstoß mit mehr als 100 km/h
… Abstand weniger als 5/10 des halben Tachowertes 75 € 1
… Abstand weniger als 4/10 des halben Tachowertes 100 € 1
… Abstand weniger als 3/10 des halben Tachowertes 160 € 2 1 Monat
… Abstand weniger als 2/10 des halben Tachowertes 240 € 2 2 Monate
… Abstand weniger als 1/10 des halben Tachowertes 320 € 2 3 Monate
Abstandsverstoß mit mehr als 130 km/h
… Abstand weniger als 5/10 des halben Tachowertes 100 € 1
… Abstand weniger als 4/10 des halben Tachowertes 180 € 1
… Abstand weniger als 3/10 des halben Tachowertes 240 € 2 1 Monat
… Abstand weniger als 2/10 des halben Tachowertes 320 € 2 2 Monate
… Abstand weniger als 1/10 des halben Tachowertes 400 € 2 3 Monate

In besonders gravierenden Fällen kann neben einer Ordnungswidrigkeit auch eine Straftat vorliegen. In Betracht kommt in erster Linie die Nötigung (§ 240 StGB). Allein ein kurzes zu dichtes Auffahren genügt dafür nicht. Es müssen weitere Umstände hinzutreten, wie etwa:

  • Dichtes Auffahren über längere Dauer
  • Verwenden der (Licht-)Hupe
  • Drängeln durch ständiges links und rechts lenken

Kommt es im Zuge des Drängelns und des anschließenden Überholmanövers zu einem Verkehrsunfall oder einem sog. „Beinahe-Unfall“ (der nur aufgrund glücklicher Umstände ausbleibt), steht auch die Strafbarkeit wegen der Gefährdung des Straßenverkehrs im Raum (§ 315c StGB).

Beispiel: A fährt bei 100 km/h auf zwei Meter zu seinem Vordermann auf und hält diese Distanz für eine Minute. Als er gerade zum Überholen ansetzt, bremst der Vordermann nur leicht ab. Der auf den Überholvorgang konzentrierte A kriegt davon nichts mit und fährt auf das Fahrzeug auf.

Eine Haftstrafe kommt in diesen Fällen nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht. Bei guter Verteidigung würde sie ohnehin nur zur Bewährung ausgesetzt. Realistischer ist eine Geldstrafe oder ein Fahrverbot. Auch hiergegen lohnt sich meist die Verteidigung. In den allermeisten Fällen kann so ein geringeres Strafmaß erreicht werden als von der Staatsanwaltschaft beantragt. Bei effektiver Strafverteidigung gelingt es auch häufig, den Strafvorwurf vollständig aus der Welt zu schaffen.

4. Besonderheiten bei zu geringem Abstand in der Probezeit

In der Probezeit gelten einige Besonderheiten. Über die oben aufgeführten allgemeinen Sanktionen hinaus können noch weitere hinzukommen. Hierzu gehören zum Beispiel die Teilnahme an einem sog. Aufbauseminar oder der erleichterte Entzug der Fahrerlaubnis. Der Grund für diese strengere Regelung liegt in der Sicherung des Straßenverkehrs. Denn gerade junge Fahrer zwischen 18 und 24 sind besonders oft in Unfälle verwickelt.

Zu diesem Zweck wurde ein Stufensystem eingeführt. Verkehrsverstöße werden danach in schwerwiegende (auch „A-Verstöße“) und weniger schwerwiegende Verstöße (auch „B-Verstöße“) unterteilt. Je nach Art des Verstoßes drohen unterschiedliche Maßnahmen.

Der Abstandsverstoß innerhalb der Probezeit

Zu dichtes Auffahren stellt einen schwerwiegenden Verstoß dar, gehört also zur Gruppe der „A-Verstöße“.  Dies ist in Anlage 12 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) festgehalten.

Wichtig: Besonders brenzlig wird der Abstandsverstoß für den Fahranfänger in aller Regel erst ab einer Geschwindigkeit von über 80 km/h.

Denn eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld von weniger als 60 Euro geahndet wird (und somit keine Eintragung ins Fahreignungsregister in Flensburg nach sich zieht), hat grundsätzlich keinen Einfluss auf die Probezeit und zieht auch keine Verlängerung der Probezeit nach sich.

Eine Ausnahme besteht, wenn das Bußgeld eigentlich 60 € oder mehr beträgt, wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen aber ein geringerer Betrag festgesetzt wurde. In diesem Fall kommt es zur Eintragung in das Fahreignungsregister und damit unter Umständen auch zur Verlängerung der Probezeit.

Die Folgen

Zunächst einmal gelten für den Fahranfänger dieselben Sanktionen wie für alle anderen Verkehrsteilnehmer auch. Es droht allerdings noch mehr. Wird der Mindestabstand bei einer Geschwindigkeit von über 80 km/h nicht eingehalten, sind weitere Sanktionen die Folge. Wichtige Regelungen hierzu enthält § 2a des Straßenverkehrsgesetzes (StVG).

Danach wird die grundsätzlich auf zwei Jahre begrenzte Probezeit bei einem A-Verstoß automatisch um weitere 2 Jahre auf insgesamt 4 Jahre verlängert. Darüber hinaus wird die Teilnahme an einem sog. Aufbauseminar angeordnet. In dem 200 – 500 € teuren Seminar soll der begangene Verstoß reflektiert und auf eine rücksichtsvollere Haltung im Straßenverkehr hingearbeitet werden. Dem Fahranfänger wird zusätzlich eine Frist gesetzt, in der er das Seminar erfolgreich absolviert haben muss. Diese beträgt in der Regel 8 Wochen. Bei Nichteinhaltung hat die Behörde die Fahrerlaubnis zu entziehen. Das gilt selbst dann, wenn der Fahranfänger nichts für die Versäumnis kann.

Bei einem zweiten A-Verstoß ergeht eine schriftliche Verwarnung. Im Übrigen wird die Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Beratung empfohlen. Diese ist jedoch nicht verpflichtend.

Kommt es zu einem erneuten, dritten A-Verstoß, wird der Führerschein entzogen. Dem Entzug folgt eine Sperrfrist von mindestens sechs Monaten. Für die Wiedererteilung muss dann ein Antrag bei Fahrerlaubnisbehörde gestellt werden. Dies ist ungefähr drei Monate vor Ende der Sperrfrist möglich.

Hinweis: Es kommt stets auf den Zeitpunkt des Verstoßes an. Erfolgte dieser innerhalb der Probezeit, spielt es keine Rolle, wenn die Probezeit bei Erhalt des Bescheides bereits abgelaufen ist.

5. Sollte Einspruch eingelegt werden?

Zur Abstandsmessung sind verschiedene technische Methoden im Einsatz. Fehler sind unvermeidbar.

  • Das Gerät mag falsch eingestellt gewesen sein oder zum Beispiel wegen starken Verkehrs einfach nicht richtig gemessen haben.
  • Es kann auch kurz vor Ihnen jemand eingeschert sein; und zwar genau in dem Moment, als die Abstandsmessung durchgeführt wurde. Für diesen Abstandsverstoß können Sie nichts.
  • Ebenso kann Ihr Vordermann auch ohne Grund in die Bremsen gegangen sein und so den Abstand zwischen ihm und Ihrem Fahrzeug verringert haben.
Halten Sie ihren Bescheid für ungerechtfertigt, können Sie Einspruch einlegen. Hierfür haben Sie grundsätzlich 14 Tage Zeit.

Eine Begründung ist dabei nicht zwingend erforderlich, aber in jedem Fall hilfreich. In den zuletzt genannten Fällen müssen Sie ihre Unschuld im Übrigen auch beweisen können. Um die Erfolgsaussichten des Einspruchs zu erhöhen, sollten Sie auf den Gang zum Anwalt für Verkehrsrecht nicht verzichten. Das gilt ganz besonders für Fälle, in denen ein Fahrverbot droht.

6. Fazit

  • Bei Abstandsverstößen droht neben hohen Geldstrafen auch ein Fahrverbot.
  • Die genauen Sanktionen hängen dabei von der gefahrenen Geschwindigkeit ab. Fahrverbote drohen ab einer Geschwindigkeit von 100 km/h.
  • Unter Umständen kommt auch die Strafbarkeit wegen Nötigung oder Gefährdung des Straßenverkehrs in Betracht.
  • Als Faustregel gilt: „Mindestabstand = halber Tachowert“.
  • Fahranfängern droht neben einer verlängerten Probezeit samt Aufbauseminar bei wiederholtem Verstoß der Führerscheinentzug.
  • Viele Bußgeldbescheide sind fehlerhaft. Eine anwaltliche Überprüfung kann daher lohnenswert sein.