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Vorladung der Polizei zur Beschuldigtenvernehmung

Bei einer Vorladung zur Vernehmung als Beschuldigter ist die Unsicherheit groß: Was soll man nun tun? Muss man dort erscheinen? Wie Sie sich im Falle einer polizeilichen Vorladung verhalten sollten und was Sie beachten müssen, erfahren Sie in diesem Beitrag.

1. Was bedeutet Vernehmung als Beschuldigter?

Zu einer Vernehmung werden Sie geladen, wenn der Verdacht einer Straftat im Raum steht. In der Beschuldigtenvernehmung werden Sie dann zu Ihren Personalien und zur vorgeworfenen Tat befragt. Es kann z.B. die Frage gestellt werden, wo Sie zum Tatzeitpunkt waren. So soll der Hergang der Tat und Ihre Beteiligung daran bestmöglich nachvollzogen werden.

Besonders häufig wird eine Vernehmung durch die Polizei durchgeführt, denn diese leistet in den meisten Fällen die Ermittlungsarbeit. In einigen Fällen vernimmt aber auch die Staatsanwaltschaft oder der Ermittlungsrichter.

Gut zu wissen: Es muss sich bei einer Vernehmung durch die Polizei nicht zwangsläufig um einen vereinbarten Termin handeln.

Vielmehr können schon erste Befragungen – z.B. im Anschluss an einen Verkehrsunfall – eine Vernehmung darstellen, sofern die Polizei einen Anfangsverdacht hat und aufgrund konkreter Tatsachen eine Straftat vermutet. Sobald ein solcher Verdacht besteht, ist auch eine Belehrung notwendig. Dazu am Ende des Beitrags mehr.

2. Wen vernimmt die Polizei?

Sowohl Zeugen als auch Beschuldigte können vernommen werden. Bei einer polizeilichen Vorladung ist in der Regel erkennbar, ob Sie als Zeuge oder Beschuldigter geladen werden. Bei Unklarheiten sollten Sie jedoch Ihren Status im Ermittlungsverfahren durch eine Nachfrage Ihres Strafverteidigers klären lassen. Es kann aber auch sinnvoll sein, nicht bei der Polizei nachzufragen.

Vorladung als Beschuldigter

Wenn Sie als Beschuldigter geladen werden, bedeutet dies dreierlei:

  1. Es besteht ein Anfangsverdacht gegen Sie.
  2. Ein förmliches Ermittlungsverfahren wurde bereits eingeleitet.
  3. Es wird schon konkret gegen Sie ermittelt.

Das heißt aber nicht, dass Sie bereits überführt sind! Es gilt weiterhin die Unschuldsvermutung. Ob die Anhaltspunkte der Ermittlungsbehörden für eine Verurteilung ausreichen oder nicht, wird später entschieden.

Vorladung als Zeuge

Gegen Zeugen besteht hingegen kein Tatverdacht. Die Ermittlungsbehörde vermutet nur, dass Sie als Unbeteiligter etwas von der Tat mitbekommen haben und zur Aufklärung beitragen können.

Je nach Ihrer Zeugensage kann der Verdacht jedoch auch auf Sie selbst fallen. Sollte die Ermittlungsbehörde Sie dann der Tat verdächtigen, werden Sie über Ihre zusätzlichen Rechte belehrt. In dieser äußerst unangenehmen Situation können Sie jederzeit Ihre Aussage beenden. Es reicht, wenn Sie beispielsweise sagen:

Ab jetzt werde ich mich zu der Sache nicht weiter äußern.

Aufgrund dieser möglichen Rollenänderung von Zeuge zu Beschuldigtem ist es nicht risikofrei, sich als Zeuge im Rahmen der polizeilichen Vernehmung zur Tat zu äußern. Im Zweifelsfall sollten auch Zeugen schon vor der Vernehmung einen Anwalt konsultieren.

3. Muss ich zur Vernehmung erscheinen?

Es kommt darauf an, wer Sie vorgeladen hat:

Vorladung durch Polizei

Bei einer Vorladung durch die Polizei müssen Sie als Beschuldigter nicht erscheinen, auch wenn das behördliche Schreiben diesen Eindruck erwecken kann.

Es handelt sich eher um eine „Einladung“ als eine „Vorladung“. Sie sind auch nicht dazu verpflichtet, den Termin abzusagen oder das Fernbleiben später zu rechtfertigen.

Falls Sie trotzdem hingehen oder aus Höflichkeit absagen wollen, sollten Sie vorher auf jeden Fall einen Anwalt für Strafrecht einschalten. Dieser kann dann den Termin absagen oder Sie zur Vernehmung begleiten. Auch kann dieser die Ermittlungsakten einsehen und so den Stand des Verfahrens herausfinden. In aller Regel wird der Anwalt Ihnen raten, vor Akteneinsicht jeden Kontakt zur Polizei zu vermeiden. Denn solange nur die Ermittlungsbehörden den Inhalt der Akten kennen, sind diese in der Vernehmungssituation automatisch im Vorteil.

Zeugen müssen hingegen zur polizeilichen Vernehmung erscheinen, sofern die Staatsanwaltschaft der Polizei den Auftrag zur Vorladung und Vernehmung erteilt hat. Ansonsten drohen Zwangsmaßnahmen.

Vorladung durch Staatsanwaltschaft/ Richter

Wenn Sie von der Staatsanwaltschaft oder dem Ermittlungsrichter geladen werden, müssen Sie der Vorladung folgen.

Diese Pflicht haben Sie selbst dann, wenn Sie bereits gegenüber der Polizei gesagt haben, dass Sie schweigen werden. Sollten Sie nicht erscheinen, können Sie unter Umständen zwangsweise von der Polizei abgeholt und zur Vernehmung gebracht werden. Die Anwesenheitspflicht bedeutet aber keinesfalls, dass Sie sich zur Sache äußern müssen!

Die Ermittlungsbehörden können Ihnen auch die Möglichkeit zur schriftlichen Stellungnahme geben („Anhörung“). In diesem Fall können Sie sich freiwillig innerhalb einer gewissen Frist persönlich oder über Ihren Anwalt schriftlich zu den Vorwürfen äußern. Anschließend entscheidet die Staatsanwaltschaft, ob sie das Verfahren einstellt oder Anklage erhebt.

4. Muss ich aussagen?

Als Beschuldigter müssen Sie sich nicht selbst belasten. Sie können also zu allen Fragen (außer zu den Personalien) schweigen.

Dieses Schweigen darf später vor Gericht auch nicht negativ ausgelegt werden. Sie machen sich also nicht dadurch verdächtig, dass Sie der Vorladung durch die Polizei nicht folgen oder während der Vernehmung schweigen. Darüber hinaus dürfen Sie theoretisch auch lügen.

Aber Achtung: Sie dürfen mit einer solchen Lüge keinesfalls andere Personen verdächtigen oder belasten. Sonst machen Sie sich strafbar.

Zeugen dürfen hingegen nicht lügen. Sie haben aber das Recht zu schweigen, wenn sie sonst sich selbst oder einen Angehörigen belasten müssten. Sie müssen z.B. nicht Ihren Ehegatten bzw. Verlobten oder Ihre Eltern, Kinder, Onkel und Tanten belasten. Die Ermittlungsbehörden müssen Sie hierüber gesondert belehren. Bei Unklarheiten bezüglich des Zeugnisverweigerungsrechts sollte man sich aber rechtzeitig anwaltlich beraten lassen.

5. Brauche ich bei einer Vorladung als Beschuldigter einen Anwalt?

Ganz klar: Ja.

Ein Ermittlungsverfahren bringt erhebliche Risiken mit sich, wie etwa eine Durchsuchung der Wohnung, die Beschlagnahme von Gegenständen oder Festnahme und Untersuchungshaft. Diese Gefahren sollten Sie auch in einem frühen Stadium der Ermittlungen und selbst im Falle Ihrer Unschuld nicht unterschätzen.

Sie brauchen jemanden an Ihrer Seite, der Ihre Rechte kennt und verteidigt. Nur so können Sie Waffengleichheit sicherstellen und den Ermittlungsbehörden auf Augenhöhe begegnen. Daher sollten Sie so früh wie möglich einen Rechtsanwalt für Strafrecht einschalten.

Dieser kann dann den polizeilichen Vernehmungstermin absagen und Akteneinsicht verlangen. Nachdem er den Sachverhalt und die Rechtslage gründlich geprüft hat, wird er mit Ihnen gemeinsam eine Verteidigungsstrategie erarbeiten. Jeder Fall braucht sein eigenes Vorgehen: Sie können weiterhin schweigen oder die Tat ganz oder teilweise gestehen bzw. abstreiten (sog. Einlassung).

Wenn beispielsweise die Beweislage eindeutig ist, kann eine Einlassung vorteilhaft sein. Denn ein Geständnis wirkt im Rahmen der Strafzumessung immer positiv. Aber: Nur ein Strafverteidiger mit der nötigen Sach- und Rechtskenntnis kann einschätzen, wie Sie vorgehen sollten.

Daher gilt: Ohne Anwalt ist Schweigen Gold!

Zu einer mündlichen Vernehmung bei Staatsanwaltschaft oder Gericht sollten Sie sich ohnehin stets von Ihrem Anwalt begleiten lassen. Er kann Ihnen dabei helfen, die besprochene Strategie anzuwenden und nicht davon abzuweichen. Im Falle einer Einlassung bietet es sich meistens an, gemeinsam mit dem Anwalt vorab eine schriftliche Aussage zu formulieren. So umgeht man die Gefahr, sich im Vernehmungsgespräch zu „verplappern“.

Häufig kann ein Rechtsanwalt auch durch Kontaktaufnahme mit der Staatsanwaltschaft darauf hinwirken, dass es nicht zu einer öffentlichen Hauptverhandlung kommt. Die Staatsanwaltschaft stellt dann das Verfahren ein oder beantragt einen Strafbefehl. Dies kommt insbesondere bei nicht allzu schwerwiegenden Taten in Betracht, sofern Sie nicht oder kaum vorbestraft sind.

6. Was ist ein Pflichtverteidiger?

In manchen Fällen geht der Gesetzgeber davon aus, dass Sie für eine effektive Verteidigung unbedingt einen Anwalt brauchen. Das Gericht stellt Ihnen dann einen Rechtsanwalt zur Seite, sofern Sie keinen eigenen Verteidiger haben. Da in dieser Situation die Verteidigung durch einen Anwalt Pflicht ist, spricht man von einem „Pflichtverteidiger“.

Die Kosten für den Pflichtverteidiger trägt der Staat. Ein Fall der Pflichtverteidigung liegt z.B. vor, wenn es um ein Verbrechen geht oder Sie wahrscheinlich schwer psychisch krank sind.

Die Beschuldigtenrechte wurden diesbezüglich seit Ende 2019 nochmals verbessert: Nun können Sie nur ausnahmsweise ohne Ihren Pflichtverteidiger von den Ermittlungsbehörden oder dem Gericht vernommen werden. Die Behörden müssen Ihnen auch bei der Auswahl des Pflichtverteidigers helfen, indem sie Ihnen z.B. eine Liste von als Pflichtverteidiger in Frage kommenden Rechtsanwälten zur Verfügung stellen.

7. Wie muss sich die Ermittlungsbehörde bei der Vernehmung verhalten?

Vor der Vernehmung muss die Behörde Sie über Ihre Rechte als Beschuldigter belehren.

Zu diesen Rechten zählen unter anderem:

  • Sie müssen erfahren, was genau Ihnen vorgeworfen wird.
  • Sie dürfen die Aussage verweigern.
  • Sie haben das Recht auf einen Anwalt.
  • Sie können theoretisch – meistens – bei Zeugenvernehmungen anwesend sein.
  • Sie können Beweisanträge stellen.

Wenn Sie nicht ordnungsgemäß belehrt wurden und so Ihre Rechte nicht kannten, kann Ihre Aussage im Prozess unter Umständen nicht verwertet werden.

Die Ermittlungsbehörden dürfen auch keine verbotenen Vernehmungsmethoden einsetzen.

Verboten sind z.B.:

  • körperliche Gewalt
  • Ermüdung (z.B. durch Schlafentzug)
  • Quälerei
  • Verabreichung von Mitteln (z.B. Medikamenten oder Drogen)
  • Hypnose

Wenden die Ermittlungsbehörden solche Methoden an, kann Ihre Aussage ebenfalls nicht gegen Sie verwendet werden. Dies gilt selbst dann, wenn Sie dem Einsatz der verbotenen Vernehmungsmethode zugestimmt hatten.

Seit dem 01. Januar 2020 kann die Beschuldigtenvernehmung auch auf Video aufgezeichnet werden. In manchen Fällen, z.B. bei einem Mordverdacht, ist diese Aufzeichnung sogar verpflichtend.

8. Fazit

  • Sie werden zu einer Vernehmung geladen, wenn der Verdacht einer Straftat besteht.
  • Schalten Sie schnellstmöglich einen Anwalt ein.
  • Gehen Sie im Zweifel nicht (bzw. zumindest nicht ohne Anwalt) zur polizeilichen Vernehmung.
  • Sie müssen zur Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft oder das Gericht erscheinen.
  • Schweigen Sie im Zweifel bis zur Akteneinsicht durch Ihren Anwalt.
  • Folgen Sie den Empfehlungen Ihres Anwalts, ob und inwieweit Sie sich (schriftlich) zur Sache äußern.