(Fristlose) Kündigung wegen Fahrverbot oder Führerscheinentzug

Viele Rechtssuchende fragen sich, ob sie durch ein Fahrverbot oder einen Führerscheinentzug mit Problemen am Arbeitsplatz oder gar einer Kündigung durch den Arbeitgeber rechnen müssen. In diesem Artikel liefern wir die wichtigsten Antworten.

1. Ist die berufliche Tätigkeit abhängig von Führerschein?

Für die Einen ist ein Fahrverbot oder der Verlust des Führerscheins eine rein private Angelegenheit. Für die Anderen kann der Verlust auch im beruflichen Kontext relevant werden. Beschäftigte, die im Rahmen ihrer Tätigkeit regelmäßig den PKW nutzen (sei es für Kundentermine, Außendienstbesuche oder um den Geschäftspartner zu erreichen) sind verunsichert, wie sich dieser Umstand auf ihren beruflichen Alltag auswirkt. Schon einzelne Fahrten könnten für den reibungslosen Ablauf im Job entscheidend sein und Konsequenzen nach sich ziehen. Umso belastender ist es, wenn tatsächlich eine Kündigung im Raum steht.

Daher drängt sich schnell die Frage auf: Wann ist eine Kündigung aufgrund eines Fahrverbots oder eines Führerscheinentzugs wirksam? Was kann ich tun, wenn mein Arbeitgeber eine solche ausspricht – habe ich Möglichkeiten mich dagegen zu wehren?

Ob eine Kündigung durch den Arbeitgeber wirksam ist, hängt dabei von mehreren Faktoren ab, die im Einzelfall sorgfältig geprüft werden müssen.

Entscheidend ist die Frage, ob die berufliche Tätigkeit zwingend eine Fahrerlaubnis verlangt und somit abhängig vom Führerschein ist.

Was gilt für Berufskraftfahrer?

Das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts (LAG – Az: 6 Ca 325/10) gibt hierauf eine klare Antwort: Eine Kündigung des Arbeitgebers ist wirksam, wenn der Besitz eines gültigen Führerscheins für die Ausübung der Tätigkeit unerlässlich ist.

Im genannten Urteil ging es um einen Berufskraftfahrer, dem wegen Trunkenheit am Steuer den Führerschein für mehrere Monate entzogen wurde. Kurz nach der Trunkenheitsfahrt kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristgerecht. Der Arbeitnehmer erhob daraufhin Klage beim Arbeitsgericht und begründete diese damit, dass dem Arbeitgeber durch den Führerscheinverlust kein Schaden entstanden ist und er auch nach wenigen Monaten wieder seinen Führerschein erhalten hat.

Das Gericht wies die Klage jedoch ab und bestätigte die Rechtmäßigkeit der Kündigung. Es stellte fest, dass sich gerade ein Berufskraftfahrer besonders sorgfältig verhalten muss, da sein Arbeitsplatz ja von seiner Fahrtauglichkeit abhängt. Sein Arbeitsplatz war für 9 Monate unmöglich geworden, daher spielt es keine Rolle, ob dem Arbeitgeber ein Schaden entsteht. Es kommt auch nicht darauf an, ob er inzwischen wieder seine Fahrerlaubnis hat, denn zur Zeit der Kündigung hatte er keinen Führerschein und es war auch nicht einschätzbar, ob er ihn jemals wieder bekommt. Der Zeitpunkt der Kündigung war daher maßgeblich.

Aufgrund des Führerscheinentzugs war es dem Berufskraftfahrer folglich unmöglich, die im Arbeitsvertrag geschuldete Tätigkeit auszuüben. Ein gültiger Führerschein gilt damit als unerlässlich für seine Tätigkeit.

Wichtig: Berufskraftfahrer wie LKW-, Bus- oder Taxi-Fahrer müssen bei einem Führerscheinentzug in der Regel mit einer wirksamen Kündigung rechnen. Da sie die Arbeitsleistung (Führen eines Fahrzeuges) nicht mehr erbringen können, wird in den meisten Fällen seitens des Arbeitgebers eine personenbedingte Kündigung ausgesprochen.
  • Die personenbedingte Kündigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer aufgrund persönlicher Eigenschaften seine vertraglich geschuldete Leistung nicht mehr erbringen kann. Der Kündigungsgrund liegt also in der Person selbst (wie im obigen Beispiel des Berufskraftfahrers).
  • Bei der verhaltensbedingten Kündigung dagegen liegt die Ursache der Kündigung im schuldhaften steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers, wie bspw. bei der Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten nach vorheriger Abmahnung.

Was gilt für andere Arbeitnehmer?

Bei der anderen Gruppe von Beschäftigten ist die Nutzung eines PKW nur teilweise notwendig für die Ausübung der Tätigkeit. Hauptleistungspflicht des Arbeitsvertrags ist also gerade nicht das Führen eines Fahrzeugs. Hierzu gehören beispielsweise Außendienstmitarbeiter, deren Tätigkeitsschwerpunkt die Kundenbetreuung, der Verkauf oder die Akquise ist. Das Führen des PKW dient lediglich dazu, diese Hauptleistungspflicht zu erfüllen. Folglich kann der Führerscheinentzug nicht automatisch eine Kündigung rechtfertigen.

In solchen Fällen kommt es vielmehr darauf an, dass die Hauptleistungspflicht dennoch ermöglicht wird. Hierbei zieht man sog. mildere Mittel in Betracht, die Vorrang vor einer Kündigung haben. Außendienstmitarbeiter könnten bspw. auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen, um eine vorübergehende Verlegung in den Innendienst bitten oder verstärkt digitale Möglichkeiten einsetzen (sofern im Rahmen der Tätigkeit möglich).

Mit dem Einsatz milderer Mittel beschäftigte sich auch das LAG Rheinland-Pfalz (Az: 1 Sa 299/20), welches den Fall eines Key-Account-Manager behandelte, der hin und wieder Kunden vor Ort besucht und berät. Als dem Manager aufgrund eines Unfalls der Führerschein entzogen wurde, kündigte sein Arbeitgeber fristlos.
 
Das Gericht stellte fest, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis grundsätzlich ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung sein kann. Jedoch nicht, wenn die Beschäftigung auch mit sogenannten „milderen Mitteln“ vollzogen werden kann. Indem der Key-Account-Manager anbot, für die Tage außer Haus einen Fahrer zu nutzen, bot sich eine „mildere“ Möglichkeit, die dem Arbeitgeber auch zumutbar war und somit Vorrang vor einer Kündigung hatte.
Eine außerordentliche (fristlose) Kündigung i.S.d. § 626 BGB ist nur dann wirksam, wenn ein wichtiger Grund gegeben ist, der das Abwarten der Kündigungsfrist für den Arbeitgeber unzumutbar macht.
 
Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer eine Straftat zulasten des Arbeitgebers begeht (Diebstahl, Betrug) oder Alkohol und Drogen am Arbeitsplatz konsumiert. Im oben genannten Fall des Berufskraftfahrers wird durch den Verlust des Führerscheins die Arbeitsleistung unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB). Da das Führen eines Fahrzeugs wesentlich für das Berufsbild eines Berufskraftfahrers ist und der Arbeitgeber folglich keine Ausweichmöglichkeiten hat, liegt auch ein wichtiger Grund vor, der das Abwarten der Kündigungsfrist für den Arbeitgeber unzumutbar macht.
 
Bei dem Außendienstmitarbeiter dagegen, der für die Tage außer Haus auch einen Fahrer nutzen könnte, ist eine fristlose Kündigung damit nicht gerechtfertigt.
Achtung: Bei der fristlosen Kündigung gilt eine Ausschlussfrist. Demnach muss der Arbeitgeber die Kündigung ab Bekanntwerden der Umstände innerhalb von zwei Wochen (§ 626 Abs. 2 BGB) aussprechen.

2. Meldepflicht des Arbeitnehmers

Ob der Arbeitgeber bei einem Fahrverbot oder einem Führerscheinentzug informiert werden muss, ist im Kern auch wieder von der Frage abhängig, ob der Führerschein für die berufliche Tätigkeit unerlässlich ist:

Betrifft der Führerschein die vertragliche Hauptleistungspflicht, muss unverzüglich (§ 121 Abs. 1 BGB) eine Anzeige beim Arbeitgeber gemacht werden. Gemäß der Norm bedeutet unverzüglich „ohne schuldhaftes Zögern“. Konkret heißt das, dass ein Arbeitnehmer sofort, sobald es ihm zumutbar ist (also ohne schuldhafte Verzögerung) eine Anzeige beim Arbeitgeber machen muss.

Beispiel: Verliert ein Arbeitnehmer morgens seinen Führerschein und muss aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit am nächsten Tag ein KFZ bedienen, so muss er noch am selben Tag seinen Arbeitgeber informieren.

Hat im Umkehrschluss das Fahrverbot oder der Führerscheinentzug keine Bedeutung für das Erbringen der Arbeitsleistung, so besteht in der Regel auch keine Meldepflicht.

Schwierig wird es nur, wenn die Fahrerlaubnis nicht Voraussetzung der Hauptleistungspflicht ist, sondern nur situationsbedingt relevant wird.

Beispiel: Ein KFZ-Mechaniker, der hin- und wieder auch die Fahrzeuge seiner Kunden Probe fährt, macht somit auch nur hin-und wieder von seiner Fahrerlaubnis Gebrauch. Muss er jedoch auch dann dem Arbeitgeber unverzüglich Mitteilung machen?
 
§241 Abs. 2 BGB legt nahe, dass auch in diesen Fällen eine Anzeige zu machen ist. Denn nur durch die Kenntnis, dass der Arbeitnehmer keinen Führerschein mehr hat, kann der Arbeitgeber prüfen, ob und wie stark die arbeitsvertragliche Leistung dadurch beeinträchtigt ist. Erst die Info gibt dem Arbeitgeber also erst die Möglichkeit, mildere Mittel zu prüfen und zu nutzen. Ohne Mitteilung kann der Arbeitnehmer außerdem riskieren, dass der Arbeitgeber ihm vorwirft, nicht zu kooperieren oder eine Pflicht verletzt zu haben.
Achtung: Der Arbeitgeber darf darüber hinaus die Gültigkeit der Fahrerlaubnis seiner Angestellten regelmäßig überprüfen, da er sich selbst nach § 21 StVG strafbar machen kann, wenn er wissentlich oder fahrlässig zulässt, dass sein Mitarbeiter ohne gültige Fahrerlaubnis ein Fahrzeug führt.
Merke: Ob der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber über den Führerscheinentzug oder ein Fahrverbot informieren muss, hängt davon ab, wie stark seine Arbeitsleistung davon betroffen ist. §241 Abs. 2 BGB verpflichtet den Arbeitnehmer nur dann zur Mitteilung, wenn der Arbeitgeber dadurch Arbeitsabläufe ändern muss.

3. Unterschied zwischen Fahrverbot und Führerscheinentzug

Ob ein Arbeitgeber bei Führerscheinverlust wirksam kündigen kann, hängt jedoch auch von einer zeitlichen Komponente ab. Es reicht also nicht aus, dass der Führerschein für den Arbeitseinsatz unerlässlich ist, es kommt auch darauf an, wie lange der Arbeitnehmer auf seinen Führerschein verzichten muss.

Entscheidend ist also, ob der Arbeitnehmer einem bloßen Fahrverbot unterliegt oder ob der Führerschein gänzlich entzogen wurde:

  • Ein Fahrverbot ist im Gegensatz zum Führerscheinentzug auf ein bis drei Monate begrenzt. Während dieser Zeit muss der Führerschein beim zuständigen Amt abgegeben werden.
  • Beim Führerscheinentzug wird, wie das Wort bereits vermuten lässt, der Führerschein eingezogen. Hierbei wird das Dokument entweder einbehalten oder mit einem Ungültigkeitsvermerk versehen. Außerdem verhängt die Behörde oder das Gericht eine Sperrfrist von mindestens 6 Monaten. Nach Ablauf der Frist kann man den Führerschein neu beantragen oder erneut ausstellen lassen. Dies wird in den meisten Fällen an weitere Bedingungen (Nachschulung, erfolgreiches Bestehen der MPU) geknüpft sein.
In der Regel ist daher eine Kündigung aufgrund eines Fahrverbots nicht zulässig, da der relativ kurze Zeitraum beispielsweise durch Urlaub, Überstundenabbau oder vorübergehende Versetzung in den meisten Fällen überbrückt werden kann.

Hingegen wird eine Kündigung bei einem Führerscheinentzug, aufgrund seiner längeren zeitlichen Komponente, in vielen Fällen wirksam sein.

Eindeutig dagegen ist es, wenn der Führerschein dauerhaft entzogen wird und keine Aussicht auf Wiedererlangung gegeben ist. Hier ist in Berufen, die zwingend einen Führerschein voraussetzen, eine Kündigung des Arbeitgebers regelmäßig zulässig.

4. Was betroffene Arbeitnehmer tun sollten

Befürchtet ein Arbeitnehmer, dass seine Kündigung nicht gerechtfertigt sein könnte, besteht die Möglichkeit eine sog. Kündigungsschutzklage (§ 4 KSchG) geltend zu machen. Diese ist innerhalb von 3 Wochen nach schriftlichem Zugang der Kündigung beim zuständigen Arbeitsgericht zu erheben. Das Gericht prüft dann, ob alle zwingenden Voraussetzungen, wie die Notwendigkeit des Führerscheins für die Tätigkeit, mildere Mittel wie Versetzung oder Abmahnung, usw. in Betracht gezogen wurden. In vielen Fällen kann auch eine Abfindung verhandelt werden, insbesondere, wenn es dem Arbeitnehmer nicht auf eine Weiterbeschäftigung ankommt und eine Einigung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber angestrebt wird.

Nach einer Kündigung durch den Arbeitgeber hat der Arbeitnehmer grundsätzlich auch Anspruch auf Arbeitslosengeld durch die Agentur für Arbeit. Es könnte jedoch eine Sperrfrist von 12 Wochen greifen. Dies hängt davon ab, ob der Arbeitnehmer die Kündigung selbst verschuldet hat.

Wurde der Führerschein bspw. wegen Trunkenheit am Steuer entzogen, wird der Arbeitnehmer durch eigenes Verschulden arbeitslos. Verliert der Arbeitnehmer den Führerschein hingegen aufgrund leichter, wiederholter Verkehrsverstöße ohne grobes Fehlverhalten, wird in der Regel keine Sperrzeit verhängt. In diesen Fällen bleibt der Anspruch auf Arbeitslosengeld bestehen, da kein erhebliches Eigenverschulden vorliegt.

Grundsätzlich lässt sich also sagen, dass eine Sperrfrist dann verhängt wird, wenn der Arbeitnehmer vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt (§ 159 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). Das Arbeitsamt wird jedoch immer den konkreten Einzelfall prüfen und darüber hinaus auch die Dauer des Führerscheinentzugs .

5. Fazit

  • Kurzzeitige Fahrverbote können in den meisten Fällen überbrückt werden, wohingegen ein längerfristiger oder sogar dauerhafter Führerscheinentzug eine Kündigung nach sich ziehen kann.
  • Berufskraftfahrer müssen bei einem Führerscheinentzug in der Regel mit einer wirksamen Kündigung rechnen.
  • Arbeitnehmer, deren Hauptaufgabe nicht das Führen eines Fahrzeugs ist, können dagegen nicht ohne weiteres gekündigt werden. Hier haben mildere Mittel stets Vorrang vor einer Kündigung.
  • Arbeitnehmer müssen unverzüglich ihren Arbeitgeber informieren, wenn der Führerscheinverlust die Arbeitsleistung wesentlich beeinträchtigt. Wird der Führerschein nur gelegentlich benötigt, kommt es darauf an, ob für den Arbeitgeber die Planung und Organisation der Arbeit erschwert wird.
  • Betroffene Arbeitnehmer können innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erheben.
  • Trotz Kündigung durch den Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer das Arbeitslosengeld bis zu 12 Wochen von der Agentur für Arbeit verweigert werden.
  • Arbeitnehmer sollten daher frühzeitig in den Dialog mit ihrem Arbeitgeber treten, um alternative Lösungen vorzuschlagen und auszuloten. Im Ernstfall sollten sie darüber hinaus jedoch auch zeitnah rechtlichen Rat einholen, um ihre Rechte zu wahren und ihre berufliche Existenz zu sichern.