So retten Sie eine Abfindung in der Privatinsolvenz

Ob und in welcher Höhe ein insolventer Arbeitnehmer eine Abfindung nach Kündigung oder Aufhebungsvertrag behalten darf, erklären wir Ihnen in diesem Beitrag.

1. Was ist Privatinsolvenz?

Im Rahmen einer Privatinsolvenz nach der Insolvenzordnung (InsO) muss zwischen zwei verschiedene Verfahren unterschieden werden:

  1. Das Restschuldbefreiungsverfahren
  2. Das Verbraucherinsolvenzverfahren

Beide Verfahren ergänzen sich. Mit Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens wird das pfändbare Vermögen des Arbeitnehmers zur Insolvenzmasse, über die er dann nicht mehr frei verfügen darf. Vielmehr bestimmt nun der Insolvenzverwalter über das Vermögen des Arbeitnehmers (§ 80 I InsO). Seine wesentliche Aufgabe ist es, offene Forderungen der Gläubiger aus der Insolvenzmasse zu erfüllen.

Oftmals genügt das vorhandene Vermögen jedoch nicht, um alle Forderungen zu begleichen. Durch das Restschuldbefreiungsverfahren soll der Arbeitnehmer dann anschließend von seinen übrig gebliebenen Schulden befreit werden, um wirtschaftlich neu starten zu können.

Bei Eröffnung des Restschuldbefreiungsverfahrens stimmt der Arbeitnehmer zunächst zu, dass seine pfändbaren Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis für die Dauer von meist 6 Jahren („Wohlverhaltensphase“) vom Arbeitgeber an einen Treuhänder zu zahlen sind (§ 287 II InsO). Treuhänder und Insolvenzverwalter sind in den meisten Fällen identisch. Erst nach Ablauf dieser sechs Jahre entscheidet das Gericht über eine Restschuldbefreiung. Diese muss zu Beginn des Insolvenzverfahrens übrigens beantragt werden.

2. Kann der Arbeitnehmer eine Abfindung behalten?

Eine Abfindung gehört zum normalen Vermögen des Arbeitnehmers und fällt daher ebenfalls in die Insolvenzmasse (§ 35 InsO).

Hierbei macht es keinen Unterschied, aus welchem Grund (z.B. Tarifvertrag, Aufhebungsvertrag, Einigung vor Gericht etc.) die Abfindung gezahlt wird.

Auch im Restschuldbefreiungsverfahren gehört die Abfindung zu den pfändbaren Bezügen aus dem Arbeitsverhältnis.

Eine Abfindung ist grundsätzlich auch nicht durch die Pfändungsfreigrenze des § 850c ZPO geschützt. Diese soll dem Arbeitnehmer zwar einen Teil seines monatlich ausgezahlten Lohnes erhalten, damit er seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Die Abfindung wird aber nur einmalig ausgezahlt und ist daher nicht von dieser Vorschrift erfasst.

Befindet sich der Arbeitnehmer also in Privatinsolvenz, wird er seine Abfindung regelmäßig nicht behalten können. Sie wird stattdessen wie sein übriges Vermögen an seine Gläubiger verteilt.

3. Was muss der Arbeitgeber bei Zahlung der Abfindung beachten?

Es kann durchaus vorkommen, dass der Arbeitgeber gar nicht weiß, dass der Arbeitnehmer insolvent ist und daher nicht länger über sein Vermögen frei verfügen kann.

Meist wendet sich der Insolvenzverwalter jedoch direkt an den Arbeitgeber, um die Höhe des Lohns zu erfragen und diesen anzuweisen, Zahlungen direkt an ihn zu richten. Dazu ist er sogar verpflichtet. Im Rahmen des Restschuldbefreiungsverfahrens hat der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis ohnehin an den Treuhänder abgetreten.

Der Arbeitgeber muss die Abfindung daher grundsätzlich direkt an den Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder übergeben.

Achtung: Sorgfalt ist hier wichtig!

Überweist der Arbeitgeber den Betrag an den falschen Empfänger und wusste er von der Insolvenz des Arbeitnehmers, kann es für ihn teuer werden. Zahlt er an den Arbeitnehmer, kann er nämlich eventuell zur erneuten Zahlung an den Insolvenzverwalter gezwungen werden.

Beispiel: Arbeitgeber A zahlt die Abfindung in Höhe von 5.000 € nicht an den Insolvenzverwalter, sondern direkt an den Arbeitnehmer B aus.
 
Macht der Insolvenzverwalter später geltend, dass A die Abfindung an ihn hätte auszahlen müssen und fordert A zur erneuten Begleichung auf, so muss A dem grundsätzlich nachkommen. A kann zwar von B die 5.000 € zurückfordern. B ist jedoch insolvent und eine Rückzahlung daher unwahrscheinlich.

4. Kann der Arbeitnehmer seine Abfindung retten?

Der Arbeitnehmer kann die Abfindung oder einen Teil davon selbst erhalten, wenn er beim zuständigen Insolvenzgericht einen Antrag auf Pfändungsschutz gemäß § 850i ZPO stellt. Ein solcher Antrag ist sowohl während der Verbraucherinsolvenz als auch während des Restschuldbefreiungsverfahrens möglich.

Die Abfindung wird dann so behandelt, als wäre sie nicht einmalig, sondern über mehrere Monate gestreckt ausgezahlt worden. Dadurch fällt die Zahlung weder in die Insolvenzmasse noch zählt sie als pfändbarer Bezug aus dem Arbeitsverhältnis.

Grundsätzlich soll dem Arbeitnehmer so viel verbleiben, wie er im fortbestehenden Arbeitsverhältnis erhalten hätte.

Das Insolvenzgericht wird jedoch oftmals nicht die gesamte Abfindung vor der Pfändung schützen. Der Arbeitnehmer soll mit der Abfindung lediglich seinen notwendigen Lebensunterhalt während eines angemessenen Zeitraums finanzieren können.

Das Gericht wird daher die wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers betrachten und frei entscheiden, ob und in welcher Höhe die Abfindung an den Arbeitnehmer ausgezahlt werden soll. Wichtig ist hierbei, wann der Arbeitnehmer wahrscheinlich wieder mit festen Einkünften rechnen kann. Die Gerichte orientieren sich meist an den Grenzen des § 850c ZPO und/oder den Sozialhilfebeiträgen.

Achtung: Der Arbeitnehmer muss hier aktiv werden! Er kann nicht erwarten, dass das Gericht, der Arbeitgeber oder der Insolvenzverwalter aus eigenem Antrieb tätig werden und ihm seine Abfindung auszahlen. Diese sind nicht einmal dazu verpflichtet, den Arbeitnehmer über die Möglichkeit des Pfändungsschutzes zu informieren.

Der Arbeitnehmer sollte sich daher frühzeitig anwaltlichen Beistand suchen, wenn er zumindest einen Teil seiner Abfindung retten möchte.

5. Was muss der Arbeitnehmer bedenken?

Der Arbeitnehmer ist sowohl bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens als auch während des laufenden Verfahrens zu Auskunft und Mitwirkung gegenüber dem Insolvenzgericht und dem Insolvenzverwalter verpflichtet (§§ 20, 97 InsO). Im Rahmen der Auskunftspflicht muss er sämtliche Vorgänge offenlegen, die für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind. Dies gilt insbesondere für seine Vermögensverhältnisse. Auch gegenüber dem Treuhänder darf er keine Bezüge verheimlichen und muss eine Beendigung seines Arbeitsverhältnisses unverzüglich anzeigen (§ 295 InsO).

Der Arbeitnehmer muss den Treuhänder über eine Abfindung daher grundsätzlich informieren und darf sie nicht verschweigen. Andernfalls droht eine Versagung der Restschuldbefreiung durch das Gericht.

6. Können Arbeitnehmer und Arbeitgeber anderes vereinbaren?

Eine Umgehung der Vorschriften der Insolvenzordnung ist nicht möglich. Diese dienen dem Schutz der Gläubiger des Arbeitnehmers und können daher nicht einfach durch eine Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ausgeschlossen werden.

Die Parteien sollten daher gar nicht erst versuchen, die Abfindung unter Umgehung der Insolvenzvorschriften dem Arbeitnehmer zukommen zu lassen.

Beispiel: Arbeitgeber A möchte den insolventen Arbeitnehmer B zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags bewegen und bietet ihm eine Abfindung an. Dieser will den Vertrag nur unterzeichnen, wenn die Abfindung direkt an ihn ausgezahlt wird. Sie vereinbaren daher, dass die Abfindung erst zu einem Zeitpunkt ausgezahlt wird, zu welchem sich B nicht mehr in der Privatinsolvenz befindet. Durch diese Vereinbarung soll die Summe dem B direkt zufließen.

Solche Vertragsgestaltungen werden grundsätzlich als Gläubigerbenachteiligung gewertet, sind daher unwirksam und haben vor Gericht keinen Bestand. In den meisten Fällen hilft diese Gestaltung ohnehin nicht, weil der Arbeitnehmer auch künftige Abfindungen innerhalb des 6-Jahres-Zeitraums abgetreten hat.

7. Fazit

  • Im Rahmen der Privatinsolvenz werden die Gläubiger aus dem Vermögen des Arbeitnehmers (Insolvenzmasse) befriedigt.
  • Der Arbeitnehmer kann während der Privatinsolvenz nicht frei über sein Vermögen verfügen.
  • Eine Abfindung gehört zur Insolvenzmasse.
  • Der Arbeitgeber muss die Abfindung grundsätzlich an den Insolvenzverwalter oder Treuhänder zahlen..
  • Der Arbeitnehmer muss den Erhalt einer Abfindungszahlung grundsätzlich dem Insolvenzverwalter anzeigen.
  • Der Arbeitnehmer kann beim Insolvenzgericht einen Antrag auf Pfändungsschutz gemäß 850i ZPO stellen. Hierdurch wird die Abfindung mitunter so behandelt, als wäre ihre Auszahlung auf mehrere Monate verteilt worden.