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Arbeitszeugnis prüfen – das müssen Sie wissen

Viele Arbeitnehmer sind mit ihrem Arbeitszeugnis bzw. dort enthaltenen Formulierungen nicht zufrieden. Wann lohnt sich eine Überprüfung?

1. Wann kann ich ein Arbeitszeugnis verlangen?

Das Arbeitszeugnis ist für einen Bewerbung bei einem neuen Arbeitgeber sehr wichtig, denn viele Unternehmen setzen einen lückenlosen Nachweis des bisherigen Berufslebens durch entsprechende Nachweise voraus. Oft wird die Erteilung eines Arbeitszeugnisses im Raum stehen, wenn ein Arbeitsverhältnis beendet wurde oder eine neue Arbeit gesucht wird. Über einzelne Formulierungen des Arbeitszeugnisses herrscht oft Uneinigkeit zwischen Arbeitgeber und (scheidendem) Arbeitnehmer – so kommt es in Deutschland jährlich zu 30.000 Gerichtsverfahren über Zeugnisstreitigkeiten.

Ein Arbeitszeugnis kann bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, etwa durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag, verlangt werden. Beendigung des Arbeitsverhältnisses bedeutet dabei mit Ablauf der Kündigungsfrist. Davor kann ein vorläufiges Arbeitszeugnis verlangt werden. Es empfiehlt sich, ein Arbeitszeugnis bereits dann zu verlangen, wenn das Ende des Arbeitsverhältnisses in Sicht ist, etwa bei Ausspruch einer Kündigung. Das vorläufige Arbeitszeugnis ersetzt das abschließende Arbeitszeugnis nicht.

Oft wird – (noch) ohne Beendigung des Arbeitsverhältnisses – ein Zwischenzeugnis beantragt. Anerkannte Gründe für ein Zwischenzeugnis, denen der Arbeitsgeber nachkommen muss, sind etwa der Wechsel des direkten Vorgesetzten, ein eigener Wechsel in eine andere Abteilung oder der Verkauf des Unternehmens.

2. Wie lange besteht mein Anspruch?

Der Anspruch auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses unterliegt der dreijährigen (regelmäßigen) Verjährungsfrist des § 195 BGB. In einigen Branchen gelten z.T. per Tarifvertrag geregelte, wesentlich kürzere Verjährungsfristen von nur einigen Monaten. Der Zeugnisanspruch kann erlöschen, wenn dem Arbeitgeber die Ausstellung eines wahrheitsgemäßen Zeugnisses nicht mehr möglich ist, etwa weil der ehemalige Vorgesetzte das Unternehmen schon lange verlassen hat.

Wer bereits ein Arbeitszeugnis erhalten hat und mit diesem nicht einverstanden ist, kann einen Berichtigungsanspruch geltend machen. Dieser Berichtigungsanspruch ist bereits nach fünf bis zehn Monaten verwirkt (LAG Rheinland-Pfalz vom 02.01.2003, Az. 10 Sa 405/02) und sollte daher umgehend geltend gemacht werden.

3. Äußere Form des Arbeitszeugnisses

Das Zeugnis muss schriftlich in der Größe A4 ausgestellt werden, darf nicht gelocht oder geknickt werden. Es muss vom Vorgesetzten unterschrieben sein. Das Arbeitszeugnis muss die ausstellende Firma erkennen lassen. Es muss ein ordnungsgemäßer Briefkopf verwendet werden.

Das Zeugnis sollte mit Datum zum Ende des Arbeitsverhältnisses ausgestellt sein, da eine spätere Datierung auf einen Rechtsstreit zum Ende des Arbeitsverhältnisses hindeuten könnte. Wird das Zeugnis jedoch erst nach Arbeitsende beantragt, besteht kein Anspruch auf Rückdatierung.

Das Arbeitszeugnis sollte eine Länge von zwei Seiten nicht überschreiten. Die Länge sollte aber der Dauer der Betriebszugehörigkeit angemessen sein – wer viele Jahre im Unternehmen tätig war, hat einen Anspruch darauf, dass das Zeugnis nicht nur eine halbe Seite lang ist.

4. Was muss im Arbeitszeugnis stehen?

Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht Anspruch auf ein sog. qualifiziertes Zeugnis, in dem im Gegensatz zum einfachen Zeugnis auch Leistung und Verhalten bewertet werden.

Das Arbeitszeugnis sollte die folgenden Bestandteile enthalten: Überschrift und Einleitung, danach eine Tätigkeitsbeschreibung. Anschließend sollen eine Leistungs-, sowie eine Verhaltensbeurteilung erfolgen. Abschließend folgt eine Schlussformulierung.

Tätigkeit und Position müssen korrekt und konkret geschildert werden. Schlagwörter und rein abstrakte Umschreibungen reichen nicht. Auch die Beurteilung der Leistung sollte möglichst einzelfallbezogen erfolgen, wobei die für die jeweilige Tätigkeit relevanten Fähigkeiten und Eigenschaften genannt werden müssen. Das Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen sollte in dieser Reigenfolge thematisiert werden. In der Schlussformel wird regelmäßig der Grund für die Erstellung des Zeugnisses bzw. der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erwähnt. Üblicherweise folgt danach eine Grußformel, in der der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer dankt und seinen Weggang bedauert.

Besteht für eine Berufsgruppe oder Branche der Brauch, bestimmte Leistungen oder Eigenschaften des Arbeitnehmers im Arbeitszeugnis aufzuführen und fehlen diese Ausführungen, so ist dies ein Hinweis für den Leser, dass diese Merkmale nicht oder nur unterdurchschnittlich bei dem Arbeitnehmer vorhanden sind (sog. „beredtes Schweigen“). In diesem Fall hat der Arbeitnehmer nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einen Anspruch auf ein ergänzendes Zeugnis (BAG v. 12.08.2008, Az. 9 AZT 632/07).

5. Angemessene Schulnoten und Zeugniscode

Nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG v. 18.09.2014, Az. 9 AZR 584/13) darf ein Arbeitszeugnis über eine durchschnittliche Leistung auch als „befriedigend“bewertet werden. Ein „gut“ sei nicht allein deshalb schon zu vergeben, weil dies der gängigen Praxis der Notenvergabe durch die Arbeitgeber entspricht, sondern nur dann, wenn eine überdurchschnittliche Leistung vorliege, welche die Notenvergabe „gut“ rechtfertige.
Trotz dieser Rechtsprechung werden mittlerweile nur noch recht wenige Arbeitszeugnisse mit einer Bewertung „befriedigend“ oder schlechter vergeben. Dies liegt an der frühen Rechtsprechung des BAG (Urt. v. 26.11.1963, Az. VI ZR 221/62), wonach ein Zeugnis dem weiteren Werdegang des Arbeitnehmers nicht im Weg stehen darf.

Inzwischen besteht ein regelrechter Zeugniscode, also eine Zeugnissprache – viele Formulierungen stellen feststehende Floskeln dar, die eine verklausulierte Bewertung des Arbeitnehmers enthalten. So endet die Leistungsbewertung oft mit einer Formulierung über die Zufriedenheit des Arbeitgebers mit der Leistung des Arbeitnehmers, bei der der Zusatz „stets zur vollsten Zufriedenheit“ eine sehr gute Leistung bedeutet, der Zusatz „zur vollsten Zufriedenheit“ eine gute Leistung und „zur vollen Zufriedenheit“ eine befriedigende Leistung.

Trotz des Gebots der Zeugnisklarheit und der Zeugnisverständlichkeit fällt es hier oft schwer, den Überblick zu behalten. Viele Formulierungen enthalten versteckte negative Aussagen über den Arbeitnehmer, etwa durch Relativierungen, doppelte Verneinungen oder dem Gebrauch der Passiv-Form. Die Verhaltensbewertung ist besonders genau auf tendenziell negative Aussagen hin zu überprüfen – so kann der Passus „Geselligkeit“ auf Alkoholkonsum hinweisen, die Formulierung „Einfühlungsvermögen“ auf sexuelle Kontakte im Unternehmen.

Wer sein Zeugnis umfassend überprüfen (lassen) will kommt – nicht nur im Streitfall – oft nicht an einem Anwalt für Arbeitsrecht vorbei.

6. Arbeitszeugnis selbst formulieren?

Mitunter wird dem Arbeitnehmer das Angebot unterbreitet, das eigene Zeugnis selbst zu formulieren. Dieser Vorschlag entspringt oft der Intension des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis reibungslos beenden zu wollen. Hier ist Vorsicht geboten: Wer sich zu viel lobt, Aufbaufehler begeht oder Formulierungen in Unkenntnis ihrer Bedeutung in der „Zeugnissprache“ verwendet, läuft Gefahr, sich selbst „ein schlechtes Zeugnis auszustellen“, das hinterher nur noch schwer geändert werden kann.

Insgesamt sollte sich nur derjenige an die eigenständige Formulierung des Zeugnisses setzen, der in diesem Bereich an ausreichender Erfahrung verfügt. In jedem Fall sollten die Formulierungen und Inhalte des Arbeitszeugnisses genau geprüft werden – nicht nur die Bewertungen sind wichtig, sondern auch, ob alle geleisteten Tätigkeiten ausreichend beschrieben wurden.

7. Fazit und Praxistipp

Es empfiehlt sich, ein erhaltenes Arbeitszeugnis umgehend und sorgfältig nach Erhalt zu prüfen – manchmal bekommt man auch einen Vorab-Entwurf zur Einsicht, zu dem man sich gegenüber seinem Chef äußern kann. Diese Chance gilt es zu nutzen! Zur eigenen Erstellung eines Arbeitszeugnisses gelten die genannten Vorbehalte – oft ist es einfacher und „ungefährlicher“, ein fertiges Zeugnis bzw. einen fertigen Entwurf ändern zu lassen, als selbst das Zeugnis zu verfassen.

Neben der Verjährungsgefahr sollte man das Zeugnis bei Verlassen des Unternehmens auch deshalb möglichst schnell einfordern, weil es für den Vorgesetzten erheblich einfacher ist, ein Arbeitszeugnis mit „frischer Erinnerung“ an den Arbeitnehmer aufzusetzen. Jede Gelegenheit zur Erstellung eines Zwischenzeugnisses – etwa wenn der Vorgesetzte wechselt – sollte genutzt werden. So hat man schon „etwas in der Hand“ für etwaige spätere Bewerbungen; auch kann ein späteres Endzeugnis schneller erstellt werden, wenn bereits ein Zwischenzeugnis existiert, das als Vorlage dienen kann.