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Sexuelle Nötigung (§ 177 StGB): Diese Strafe droht bei einer Anzeige

Eine sexuelle Nötigung ist eine schwere Form des sexuellen Übergriffs, für die nach dem Strafgesetzbuch eine Freiheitsstrafe vorgesehen ist. Erfahren Sie hier, wann der Straftatbestand einer sexuellen Nötigung erfüllt ist, welche Strafen einem Täter drohen und welche Ansprüche ein Opfer geltend machen kann.

1. Was versteht man unter sexueller Nötigung?

Nach § 177 des Strafgesetzbuches (StGB) ist ein sexueller Übergriff zunächst einmal als Vornahme einer sexuellen Handlung gegen den Willen einer anderen Person definiert. Darunter fällt jede Aktivität, bei der das Opfer eine sexuelle Handlung vornimmt oder duldet.

Im Jahr 2016 wurde der § 177 StGB neu geregelt und die Bestimmungen zum Sexualstrafrecht wurden dabei verschärft.  Seit der Neuregelung gilt der Grundsatz „Nein heißt Nein“.  Der Begriff der „Nötigung“ wurde zwar aus dem Gesetzestext entfernt, diese ist jedoch im § 177 Abs. 5 erfasst.

Ausreichend für eine Sexualstraftat (sexueller Übergriff) ist jetzt – nach der Neuregelung – eine sexuelle Handlung gegen den wahrnehmbaren Willen einer anderen Person auszuführen. Es kommt also nicht mehr darauf an, ob ein Täter Gewalt angewendet, mit Gewalt gedroht oder eine schutzlose Lage des Opfers ausgenutzt hat. Auch ist es nicht entscheidend, ob sich das Opfer körperlich gegen den Übergriff gewehrt hat.

Ausschlaggebend ist jetzt, dass das Opfer die sexuelle Handlung nicht gewollt hat und dies für den Täter auch klar erkennbar war. Hierfür ist es bereits ausreichend, dass ein Opfer beispielsweise geweint hat oder einfach weggegangen ist.

Damit allerdings der Strafbestand einer sexuellen Nötigung erfüllt ist, muss zusätzlich noch mindestens eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Der Täter wendet Gewalt gegen sein Opfer an (z. B. Täter schlägt sein Opfer).
  • Er droht dem Opfer mit Gefahr für Leib und Leben (z. B. Bedrohung mit Gewalt oder dem Tod)
  • Der Täter nutzt eine bestimmte Lage aus, in der das Opfer schutzlos den Handlungen des Täters ausgeliefert ist (z. B. abgesperrter, geschlossener Raum).

Sexuelle Nötigung in der Ehe

Sexuelle Nötigung ist auch in der Ehe strafbar als eine Form der häuslichen Gewalt.

Generell wird durch § 177 StGB die sexuelle Selbstbestimmung geschützt. Auch innerhalb einer Ehe hat jeder Ehepartner das Recht, dass seine körperlichen Grenzen respektiert werden. Somit ist die sexuelle Nötigung auch in einer Ehe keine private Angelegenheit und ist genauso strafbar, wie wenn sie durch eine dritte Person begangen worden wäre.

Oftmals wird eine sexuelle Nötigung innerhalb einer Ehe jedoch nicht zur Anzeige gebracht, da sich das Opfer durch ein bestehendes Abhängigkeitsverhältnis solidarisch gegenüber dem Täter verhält.

Was ist eine sexuelle Handlung bei einem sexuellen Übergriff?

Unter einer sexuellen Handlung versteht man grundsätzlich jede Art von körperlicher Berührung zwischen dem Täter und dem Opfer, die man gemeinhin als sexuell einstufen kann.

Hierbei kann es sich um Geschlechtsverkehr, aber auch das Berühren von Geschlechtsteilen, Po oder Brust handeln. Auch ein erzwungener Kuss erfüllt den Tatbestand. Wichtig dabei ist immer, dass der Täter unmittelbar auf sein Opfer eingewirkt hat.

Wie zeigt sich der entgegenstehende Wille des Opfers?

Bei der Beurteilung des entgegenstehenden Willens des Opfers wird auf die Wahrnehmung einer objektiven, dritten Person abgestellt. Der entgegenstehende Wille kann sich durch eine verbale Äußerung (ein „Nein“ ist ausreichend) oder aber durch ein entsprechendes, eindeutiges Verhalten ausdrücken. Dieses kann eine körperliche Abwehr gegen die sexuelle Handlung sein, aber auch jeder andere Ausdruck des Ablehnens.

Ausnutzen sonstiger Umstände

In bestimmten Fällen kann eine sexuelle Nötigung jedoch auch vorliegen, wenn das Opfer einen entgegenstehenden Willen nicht offensichtlich geäußert hat und der Täter bestimmte Umstände ausnutzt. Dies kann z. B. dann der Fall sein, wenn

  • ein Opfer diesen Willen nicht äußern oder bilden kann, weil es z. B. unter Drogen steht oder stark alkoholisiert ist, oder wenn
  • es aufgrund seines körperlichen oder psychischen Zustandes nicht in der Lage ist, einen entsprechenden Willen zu äußern (z. B. geistige oder körperliche Behinderung).
  • der Täter eine Lage ausnutzt, bei der dem Opfer im Falle eines Widerstandes ein empfindliches Übel droht (sexuelle Gewalt in der Ehe).
  • der Täter einen Überraschungsmoment ausnutzt, wodurch das Opfer keinen entgegenstehenden Willen äußern kann.
Eine sexuelle Nötigung liegt also immer dann vor, wenn entweder ein sexueller Übergriff erfolgte oder der Täter sonstige Umstände ausnutzte. Darüber hinaus ist es erforderlich, dass der Täter dabei entweder Gewalt anwendete, mit Gewalt gedroht hat oder eine schutzlose Lage des Opfers ausgenutzt hat.

2. Wie unterscheiden sich sexuelle Nötigung und sexuelle Belästigung?

Bei einer sexuellen Belästigung, die im § 184i des Strafgesetzbuches geregelt ist, reicht es aus, wenn eine Person in sexueller Weise berührt und belästigt wird. Im Gegensatz zur sexuellen Nötigung sind hierbei weder Gewalt, Bedrohung oder das Ausnutzen einer schutzlosen Lage des Opfers vorausgesetzt.

Es muss sich allerdings um eine körperliche Belästigung mit Berührung handeln, rein verbale Belästigungen sind nicht vom Tatbestand der sexuellen Belästigung nach § 184i StGB abgedeckt.

3. Welche Strafen sind bei sexueller Nötigung vorgesehen?

Sexuelle Nötigung ist nach dem deutschen Strafrecht ein Verbrechen, für das eine Freiheitsstrafe vorgesehen ist. Wie hoch die Freiheitsstrafe im Einzelfall ausfällt, hängt insbesondere von der Schwere der Tat, anderen Vorstrafen und den besonderen Umständen des Einzelfalls ab.

Grundsätzlich sind folgende Freiheitsstrafen vorgesehen:

  • Bei einem sexuellen Übergriff oder dem Ausnutzen sonstiger Umstände ist eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 5 Jahren vorgesehen.
  • Liegt eine sexuelle Nötigung vor, die durch Gewaltanwendung, Drohung mit Gewalt oder dem Ausnutzen einer schutzlosen Lage zustande kommt, ist eine Freiheitsstrafe von nicht unter einem Jahr bis hin zu 15 Jahren zu erwarten.
  • In besonders schweren Fällen sind – je nach Schwere der Tat – Freiheitsstrafen von nicht unter 2, bzw. 5 Jahren festgelegt:
    • Vergewaltigung (Eindringen in den Körper) oder Tatbegehung durch mehrere Personen: mindestens 2 Jahre bis zu 15 Jahre Freiheitsstrafe
    • Vergewaltigung unter Mitführen einer Waffe, Gesundheitsgefährdung oder Misshandlung des Opfers: mindestens 5 Jahre Freiheitsstrafe

Durch die verschärfte neue Rechtslage ist heute bei sexueller Nötigung mit höheren Strafen zu rechnen.

Wichtig zu wissen: Alleine der Versuch der sexuellen Nötigung ist strafbar. In diesem Fall muss ein potentieller Täter eben nur die Absicht gehabt haben, sein Opfer sexuell zu nötigen. Dies ist z. B. dann gegeben, wenn ein Opfer rechtzeitig fliehen konnte, bevor es zu sexuellen Handlungen gekommen ist.

Achtung: Voraussetzung für die strafrechtliche Verfolgung einer sexuellen Nötigung ist eine Strafanzeige, die jeder bei Polizei, Staatsanwaltschaft oder dem Amtsgericht stellen kann. Bei einer Strafanzeige müssen Staatsanwaltschaft und Polizei immer ermitteln.

Auch wenn eine Strafanzeige zurückgezogen wird, wird das Verfahren nicht automatisch eingestellt, denn die zuständigen Behörden müssen die Ermittlungen von Amts wegen fortführen. Wurde eine sexuelle Nötigung angezeigt, kann ein Anzeigenerstatter das Verfahren also nicht mehr beeinflussen.

Jugendliche Straftäter

Bei einer sexuellen Nötigung durch einen Jugendlichen gilt das Jugendstrafrecht. Jugendliche sind grundsätzlich Personen, die zum Zeitpunkt der Tat bereits 14 Jahre alt waren, aber noch keine Volljährigkeit erreicht haben (18 Jahre). Das Jugendstrafrecht kann auch in bestimmten Fällen noch bis zum vollendeten 21. Lebensjahr angewendet werden, wenn in der Persönlichkeit des Täters entweder eine Reifeverzögerung vorliegt oder aber die Art und Umstände der Tat auf eine Jugendverfehlung schließen lassen.

Die Sanktionierung und Bestrafung sieht dabei andere Maßnahmen vor als bei erwachsenen Straftätern. In Betracht kommen hierbei:

  • Erziehungsmaßnahmen, wie z. B. gemeinnützige Arbeit oder ein Täter-Opfer-Ausgleich etc.
  • Auflagen, Verwarnungen oder Jugendarrest
  • Jugendstrafe

4. Verjährung der sexuellen Nötigung

Für eine sexuelle Nötigung ist eine Verjährungsfrist von 20 Jahren festgesetzt. Dadurch kann sie also noch lange nach der Tat strafrechtlich verfolgt werden.

Nach mehr als 20 Jahren ist dann allerdings eine strafrechtliche Verfolgung ausgeschlossen.

War das Tatopfer bei der Begehung der Tat noch minderjährig, beginnt die Verjährungsfrist erst mit dem Erreichen der Volljährigkeit zu laufen. In besonders schweren Fällen, die beispielsweise mit einer Vergewaltigung oder einer anderen schweren Misshandlung einhergehen, kommt ein aufgeschobener Verjährungsbeginn zum Tragen. Die Verjährungsfrist beginnt dann erst mit der Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers zu laufen.

5. Was tun bei einer Anzeige wegen sexueller Nötigung?

Der Vorwurf einer Sexualstraftat kann weitreichende Konsequenzen haben. Bei einer Anzeige wegen sexueller Nötigung sollten Sie daher umgehend Kontakt zu einem spezialisierten Anwalt für Sexualstrafrecht aufnehmen und sich beraten lassen.

Neben einer möglichen Freiheitsstrafe drohen dem Beschuldigten auch schon während des Ermittlungsverfahrens der Verlust seiner Arbeitsstelle, eine Schädigung seines persönlichen Ansehens sowie familiäre Probleme.

Nur ein Rechtsanwalt kann in dieser Situation eine Einsicht in die Ermittlungsakte beantragen. In vielen Fällen stützen sich die Anzeige und die sich daran anschließenden Ermittlungen ausschließlich auf die Aussage des Opfers. Deshalb wird stets versucht, auch eine Aussage des Beschuldigten zum Sachverhalt zu bekommen.

Um hier keine Fehler zu machen, sollte man direkt einen Anwalt in Anspruch nehmen und auf Vorladungen der Polizei oder die Zusendung eines Anhörungsbogens zunächst nicht reagieren.

Problematik der Beweisbarkeit

Sehr häufig liegen bei Sexualdelikten gar keine oder nur sehr wenige objektive Beweise vor. Oftmals gibt es nur eine Aussage des vermeintlichen Opfers, die der Aussage eines vermeintlichen Täters entgegensteht.

Es ist also eine klare Aussage-gegen-Aussage-Lage gegeben.

Bei solchen Beweislagen müssen die Gerichte ganz besonders akribisch die Zeugenaussagen auf ihre Glaubhaftigkeit hin überprüfen. Sie können jedoch auch in solchen Situationen ein Urteil fällen.

6. Wann kann ein Opfer sexueller Nötigung Schmerzensgeld verlangen?

Ein Geschädigter einer sexuellen Nötigung kann unter bestimmten Umständen einen Anspruch auf Schmerzensgeld haben, das sowohl im Rahmen des Strafverfahrens oder aber in einem zusätzlichen Zivilprozess eingeklagt werden kann.

Voraussetzung für einen Anspruch auf Schmerzensgeld ist immer der Umstand, dass das Opfer durch die Tat körperliche oder auch seelische Verletzungen erlitten hat, die zu einem Krankheitszustand geführt haben. Die Höhe des jeweiligen Schmerzensgeldes wird dabei immer in Abhängigkeit vom Einzelfall festgelegt.

Beispiele:

  • In einem besonders schweren Fall, bei dem eine junge Frau mehrfach vergewaltigt wurde, hat das Landgericht Wuppertal 2013 dem Opfer ein Schmerzensgeld in Höhe von 100.000 € zugesprochen.
  • Bei minder schweren Fällen, wie z. B. einer sexuellen Nötigung durch Berührung des Geschlechtsteils, versuchtem Geschlechtsverkehr oder erzwungenem Oralverkehr, kann ein Schmerzensgeld zwischen 5.500 € und 11.000 € möglich sein.
  • Leidet ein Opfer unter Angstzuständen durch eine sexuelle Nötigung, kann ein Schmerzensgeld in Höhe von ca. 5.500 € bis 6.600 € zugesprochen werden.

7. Fazit

  • Sexuelle Nötigung ist ein Straftatbestand, der einen sexuellen Übergriff voraussetzt, der entweder von Gewaltanwendung, Gewaltandrohung oder dem Ausnutzen einer schutzlosen Lage des Opfers begleitet ist.
  • Dem Täter drohen mindestens ein Jahr und bis zu 15 Jahre Freiheitsstrafe.
  • Die Verjährungsfrist für eine sexuelle Nötigung beträgt 20 Jahre.
  • Ist man der sexuellen Nötigung beschuldigt, sollte man sofort einen spezialisierten Anwalt für Sexualstrafrecht kontaktieren.
  • Opfer einer sexuellen Nötigung können bei seelischen oder körperlichen Verletzungen Schmerzensgeld einklagen.