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Haftverschonung: Definition – Gründe – Antrag

Die Haftverschonung erspart Ihnen die Untersuchungshaft und ggf. sogar die Strafhaft. In diesem Text erfahren Sie,  wann Sie Chancen auf Haftverschonung haben und was Sie dafür tun müssen.

1. Wann muss man überhaupt in Haft?

Haft ist nicht gleich Haft. Zu unterscheiden sind

  • die vorläufige Festnahme durch die Polizei für einige Stunden,
  • die Untersuchungshaft, die der Richter anordnet und die maximal bis zur Verurteilung andauert
  • und die Strafhaft, also die Haft im klassischen Sinne nach einem Strafurteil.

Bei der Haftverschonung geht es meist um die Untersuchungshaft. Allerdings kommt es immer wieder vor, dass Beschuldigte zu Unrecht in Untersuchungshaft sitzen – die Haftverschonung ist für sie dann weniger relevant. Zielführender ist es, gleich gegen den Untersuchungshaftbefehl vorzugehen und sich so dauerhaft das Gefängnis zu ersparen. Deshalb lohnt ein Blick auf die Voraussetzungen der U-Haft:

Die Untersuchungshaft darf nach § 112 StPO nur verhängt werden, wenn dringender Tatverdacht besteht und ein Haftgrund vorliegt. Für den dringenden Tatverdacht reicht es nicht aus, dass einzelne Anhaltspunkte für Sie als Täter sprechen. Vielmehr muss nahezu sicher sein, dass Sie die Tat begangen haben.

Haftgründe sind

  • Flucht(gefahr) – insbesondere bei Personen ohne Wohnsitz oder Arbeit, mit Wohnsitz im Ausland oder bei Flucht in vorherigen Ermittlungsverfahren),
  • Verdunkelungsgefahr – also die Gefahr, dass Sie Zeugen beeinflussen oder andere Beweismittel verschwinden lassen
  • und Wiederholungsgefahr – insbesondere angewandt bei Sexualstraftaten und Mehrfachtätern.

Sie dürfen nicht in Untersuchungshaft geschickt werden, wenn dies in keinem Verhältnis zur Schwere der Tat und der zu erwartenden Strafe steht.

Beispiel: Sie müssen in aller Regel keine U-Haft fürchten, wenn wegen Fahrerflucht gegen Sie ermittelt wird. Untersuchungshaft kommt grundsätzlich erst bei schwerwiegenderen Delikten in Betracht.

2. Was ist die Haftverschonung?

Wer Haftverschonung genießt, muss vorerst nicht ins Gefängnis. Anders als bei der dauerhaften Aussetzung einer Freiheitsstrafe (Haftaussetzung), wird die Haft bei der Haftverschonung allerdings nur vorläufig abgewendet beziehungsweise aufgeschoben. Eventuell müssen Sie also zu späterem Zeitpunkt wieder in Haft.

Wie schon erwähnt, geht es bei der Haftverschonung primär um die Abwendung der Untersuchungshaft. Von der echten Strafhaft – also der Freiheitsstrafe aufgrund eines Strafurteils – wird man nur selten verschont. In Betracht kommt in diesem Fall eine Haftverschonung vor allem bei kranken Inhaftierten wegen Vollzugsunfähigkeit.

3. Wann gibt es Haftverschonung von der Untersuchungshaft?

Als besondere Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes regelt § 116 StPO die Möglichkeit, den Vollzug des Haftbefehls auszusetzen.

Haftverschonung bei Fluchtgefahr

Nach § 116 Abs. 1 StPO muss die Aussetzung erfolgen, wenn lediglich Fluchtgefahr besteht und mildere Maßnahmen möglich sind, um Sie an einer Flucht zu hindern:

In Betracht kommen hiernach Auflagen und Weisungen hinsichtlich des Aufenthaltes, Meldepflichten bei der Polizei, die Abgabe des Reisepasses und die Stellung einer Kaution oder einer ähnlichen angemessenen Sicherheit.

Diese Maßnahmen sollen bewirken, dass die Fluchtgefahr beseitigt oder zumindest erheblich gemindert wird, ohne dass Sie in Haft genommen werden müssen.

Die Kaution kann unter Umständen auch von jemand anderes geleistet werden. Über die Höhe der Kaution entscheidet der Richter. Er berücksichtigt dabei u.a. die Schwere der Tat und Ihre Vermögensverhältnisse.

Haftverschonung bei Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr

Haftverschonung kommt auch in Betracht, wenn die Untersuchungshaft auf die Haftgründe der Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr gestützt wird und Ihnen als Beschuldigten geeignete Anweisungen erteilt werden.

Beispiel: Möglich ist unter anderem die Anweisung, mit Mitbeschuldigten, Zeugen oder Sachverständigen keinen Kontakt aufzunehmen.

4. Kann die Haftverschonung wieder rückgängig gemacht werden?

Eine Haftverschonung kann jederzeit wieder rückgängig gemacht werden, denn der Haftbefehl ist nach wie vor in der Welt und kann vollzogen werden. Dann müssen Sie wieder in Haft.

Dies ist möglich, wenn

  • Sie als Beschuldigter Ihre Pflichten massiv verletzen oder Beschränkungen erheblich missachten (Beispiel: Sie nehmen entgegen der Anweisung des Gerichts Kontakt zu einem wichtigen Zeugen auf oder verlassen die Gemeinde Ihres Wohnorts, obwohl Ihnen dies untersagt ist).
  • Sie zeigen, dass das in Sie gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt war (Sie erscheinen nicht zur Hauptverhandlung oder Sie fliehen).
  • neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen (z.B. erfährt die Behörde erst jetzt, dass Sie in ausländischen Strafverfahren mehrfach geflüchtet sind).

5. Was muss ich für die Haftverschonung von der Untersuchungshaft tun?

Sie können einen Antrag auf Haftverschonung bei Gericht stellen. Das übernimmt am besten ein erfahrener Strafverteidiger. Der Haftrichter wird dann prüfen, ob Sie von der Untersuchungshaft verschont werden können.

Wird Ihr Antrag abgelehnt, können Sie bzw. kann Ihr Strafverteidiger Beschwerde einlegen. Dasselbe gilt, wenn Ihnen überzogene Auflagen für eine Haftverschonung erteilt wurden. Dann setzt sich das nächsthöhere Gericht mit Ihrem Antrag auseinander.

Sie können aber nicht endlos viele Beschwerden einlegen. Lassen Sie sich deshalb von einem Strafverteidiger beraten, welches Vorgehen taktisch sinnvoll ist.

6. Haftverschonung bei einer vorläufigen Festnahme gegen Kaution

Die bisher behandelte Untersuchungshaft wird vom Richter angeordnet. Vorher kommt es oft zur vorläufigen Festnahme durch die Polizei, die unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne Haftbefehl des Richters möglich ist. Allerdings müssen Sie unverzüglich, spätestens am Folgetag, dem Richter vorgeführt werden, der dann über die Untersuchungshaft entscheidet.

Haftverschonung gibt es auch für die vorläufige Festnahme durch die Polizei.

Wer in Deutschland keinen festen Wohnsitz hat, wird schnell wegen Fluchtgefahr von der Polizei vorläufig festgenommen. Wenn die zu erwartende Strafe allerdings so gering ist, dass eine Freiheitsstrafe nahezu ausgeschlossen ist, können Sie auf Haftverschonung hoffen. Nach § 127a StPO kann die Polizei Sie nämlich von der Haft verschonen. Sie müssen allerdings eine Kaution oder ähnliches leisten. Von der Regelung profitieren in der Regel ausländische Reisende.

7. Haftverschonung bei Strafhaft aus gesundheitlichen Gründen

Nach schweren Straftaten verurteilt das Gericht Sie womöglich zu einer Freiheitsstrafe. Sie müssen dann in Strafhaft (die Haft im klassischen Sinn).

Auch hier ist unter Umständen die Haftverschonung möglich. Das ist der Fall, wenn Sie haftunfähig sind nach § 455 StPO.

Beispiel: Dies wird unter anderem bei Geisteskrankheit (z.B. schwerer Demenz) oder drohender Lebensgefahr bei Vollstreckung (z.B. weil Sie auf der Intensivstation überwacht werden müssen) angenommen.

Auf diese Weise kann auch eine bereits begonnene Freiheitsstrafe unterbrochen werden. Dies kommt insbesondere in Betracht bei drohender schwerer Erkrankung, die im Vollzug nicht angemessen erkannt oder behandelt werden kann.

8. Fazit

  • Haftverschonung bedeutet, dass Sie vorerst aus der Haft entlassen werden oder gar nicht erst in Haft müssen.
  • Die Haftverschonung kommt am häufigsten bei der Untersuchungshaft, also während des laufenden Ermittlungsverfahrens, vor. Sie ist aber auch im Rahmen der vorläufigen Festnahme durch die Polizei und aus gesundheitlichen Gründen auch nach der Verurteilung denkbar.
  • Haftverschonung bei Untersuchungshaft kommt insbesondere gegen Kaution oder gerichtliche Auflagen (Meldepflichten u.ä.) in Betracht. Sie sollten einen Antrag über Ihren Strafverteidiger stellen.
  • Wenn Sie sich nicht an die Auflagen halten, macht das Gericht die Haftverschonung wieder rückgängig und Sie müssen ins Gefängnis.