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Strafe bei Anzeige wegen sexueller Belästigung: Das neue Sexualstrafrecht § 184i StGB

Was bedeutet eigentlich sexuelle Belästigung nach dem neuem Sexualstrafrecht? In diesem Artikel erfahren Sie, wo die Belästigung beginnt, welche Strafe Beschuldigten droht und was Opfer einer sexuellen Belästigung tun können.

Der Straftatbestand der sexuellen Belästigung nach § 184i StGB wurde Ende 2016 neu ins Strafgesetzbuch aufgenommen. Danach macht sich strafbar, wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt.

Doch was genau fällt unter diesen Tatbestand und wie ist er zu anderen Sexualdelikten abzugrenzen? Erfahren Sie, unter welchen Voraussetzungen Beschuldigten eine Strafe droht und wie die Vorschrift Opfer von sexuellen Belästigungen schützt.

1. Neuregelung des Sexualstrafrechts

Das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom November 2016 hat einige Neuerungen im Sexualstrafrecht gebracht.

Aufgrund der öffentlichen Diskussionen um das Verhältnis von Frauen und Männer, nicht zuletzt auch im Zuge der Übergriffe von Köln in der Silvesternacht 2015/2016, fiel die schon lange geplante Reform umfangreicher aus als zunächst angedacht.

Neben einer Verschärfung der Regelungen zur Vergewaltigung nach § 177 StGB wurde der § 184i StGB neu ins Gesetz aufgenommen. Anders als der sexuelle Missbrauch und die sexuelle Nötigung war die sexuelle Belästigung in Deutschland bis dahin nicht ausdrücklich strafbar.

Zuvor fielen derlei Handlungen nur unter bestimmten Voraussetzungen unter den Straftatbestand einer anderen Vorschrift, der Beleidigung nach § 185 StGB. Keine Rolle spielte hierbei aber, ob sich die belästigte Person nach ihrem persönlichen Empfinden beleidigt fühlte oder nicht. Handlungen mit sexuellem Hintergrund waren daher nur dann abgedeckt, wenn besondere Umstände zugleich den Tatbestand einer Beleidigung erfüllten.

Opfer von Handgreiflichkeiten, bei denen keine Beleidigung hinzukam, z. B. durch ehrverletzende mündliche Beschimpfungen, wurden durch das Strafrecht also nicht ausreichend geschützt. So bestand für vermeintlich unerhebliche Handlungen wie „Busengrapschen” kein Straftatbestand. Diese Lücke wird nun über § 184i StGB geschlossen.

2. Abgrenzung zu sonstigen Sexualstraftaten

Die sexuelle Belästigung ist abzugrenzen

§ 177 StGB zur Vergewaltigung setzt einen sexuellen Kontakt durch körperliche Berührung voraus, durch den das Opfer sexuelle Handlungen des Täters oder einer dritten Person an seinem Körper dulden oder sexuelle Handlungen an dem Täter oder einem Dritten vornehmen muss. Dabei umfasst der Tatbestand mehrere Fallvarianten.

Die Straftatbestände zum sexuellen Missbrauch stellen sexuelle Handlungen mit Kindern und Minderjährigen sowie mit besonders gefährdeten Erwachsenen (beispielsweise Kranken, Behinderten, Gefangenen oder Patienten), unter Strafe. Insbesondere der schwere sexuelle Missbrauch von Kindern wird je nach Einzelfall mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr oder mehr bestraft.

Die sexuelle Belästigung wird je nach Schwere des Einzelfalls mit einer Geldstrafe oder mit Gefängnisstrafe bis zu zwei Jahren bedroht, in besonders schweren Fällen mit mindestens drei Monaten bis fünf Jahren Freiheitsstrafe.

3. Wann liegt eine sexuelle Belästigung vor?

Nach § 184i StGB macht sich strafbar, wer eine andere Person in sexueller Weise körperlich berührt. Hierunter fallen also auch solche Handlungen, die umgangssprachlich als “Grapschen” bezeichnet werden.

Die körperliche Berührung muss laut Straftatbestand in „sexuell bestimmter Weise“ erfolgen. Nach der Gesetzesbegründung ist der Körperkontakt sexuell bestimmt, wenn der Täter sexuell motiviert handelt.

Beispiele hierfür sind

  • aufgedrängte Küsse auf die Wange
  • aufgedrängte Umarmungen
  • Berührungen der primären oder sekundären Geschlechtsmerkmale
  • oder auch ein Klaps auf den Po.
Beispiel: Herr A fasst seiner Kollegin Frau B beim Vorbeigehen vorsätzlich an den Hintern.

Keine sexuelle Belästigung liegt hingegen vor, wenn Herr C durch ein Hindernis ins Stolpern gerät und dabei unabsichtlich Frau D in die Arme fällt.

Diese Beispiele lassen sich recht klar einordnen. Nicht immer aber ist die Abgrenzung so einfach. Wie die obige Aufzählung schon erahnen lässt, wird es Grenzfälle geben, bei denen von außen betrachtet kaum zwischen einem unbeholfenen Annäherungsversuch und einem absichtlichen Zunahetreten unterschieden werden kann. Nicht jeder Flirtversuch oder körperliche Annäherung mit dem Ziel, bei der anderen Person “zu landen”, stellt eine Belästigung dar!

Maßgeblich sind stets die genauen Umstände, die Absichten des Täters und die Empfindungen des Opfers im Einzelfall.

Entscheidend für die strafrechtliche Einordnung ist also zum einen der Vorsatz des Handelnden, also ob er bezüglich der körperlichen Annäherung absichtlich handelte.

Weitere Voraussetzung ist zum anderen, dass sich das Opfer durch die Handlung tatsächlich belästigt fühlt. Dies ist nach dem Gesetzgeber der Fall, wenn das Opfer in seinem Empfinden nicht unerheblich beeinträchtigt wird, die Berührung also unerwünscht ist.

Fühlt sich die berührte Person durch den Körperkontakt dagegen nicht beeinträchtigt, liegt auch keine sexuelle Belästigung vor. Wieder kommt es also auf das Empfinden der Person an.

Wenn im obigen Beispiel Frau B die Berührung als belästigend empfindet, ist das Handeln von Herrn A strafrechtlich relevant. Dies ist nicht der Fall, wenn Frau B die Berührung nichts ausmacht.

4. Was gilt bei mündlichen Belästigungen?

Doch liegt sexuelle Belästigung nur vor, wenn es zu Körperkontakt kommt? Zählt im Umkehrschluss verbale Belästigung nicht zum Tatbestand?

Tatsächlich ist der Wortlaut der Vorschrift eindeutig nur auf Handlungen mit Körperkontakt bezogen.

Voraussetzung für eine Strafbarkeit wegen sexueller Belästigung ist also, dass eine körperliche Berührung stattgefunden hat. Rein mündliche Belästigungen fallen nicht hierunter.

Verbale Belästigungen sind deswegen aber nicht automatisch straffrei, vielmehr können mündliche Übergriffe mit sexuellem Inhalt durchaus strafrechtlich relevant sein. Allerdings ist auch nach der Strafrechtsreform eine solch sexuelle Belästigung ohne körperliche Berührung nur strafbar, wenn sie eine Beleidigung (§ 185 StGB) darstellt, also die andere Person durch eine ehrverletzende Erklärung – wörtlich oder durch schlüssiges Handeln – herabgewürdigt wird.

Beispiele: Eine Bemerkung wie “Hallo, schöne Frau”, wird den Tatbestand einer Beleidigung nicht erfüllen. Dagegen erfüllen herabwürdigende Bemerkungen wie z. B. “Flittchen”, “Schlampe” und sonstige obszöne Äußerungen den Tatbestand einer sexuellen Beleidigung.

5. Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

Der Vollständigkeit halber ist eine Besonderheit zu erwähnen, die – außerhalb des Strafrechts – für sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz gilt: Hier gelten die Sondervorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), § 3 Abs. 4 AGG, sowie  des § 75 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz.

Sexuelle Belästigung gilt als Benachteiligung im Sinne des AGG. Sie wird in § 3 Abs. 4 AGG definiert als ein “unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.“

Auch rein verbale Äußerungen fallen also unter die sexuelle Belästigung nach dem AGG. Das können z.B. sexuelle Angebote oder Anzüglichkeiten, zweideutige Witze oder Sprüche sein.

Der sexuell belästige Mitarbeiter hat ein Beschwerderecht nach § 13 AGG; Arbeitgeber oder Vorgesetzte müssen diese prüfen und geeignete Maßnahmen treffen, um zu verhindern, dass sich eine solche Belästigung wiederholt. In Fällen, die eine weitere Beschäftigung des Mitarbeiters unzumutbar macht, kommt auch eine fristlose Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen in Betracht.

6. Strafverfahren und Beweislage

Die sexuelle Belästigung wird nach § 184i StGB nur auf Antrag verfolgt, außer die Strafverfolgungsbehörde hält wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten. Das Opfer muss also selbst bzw. durch seinen Rechtsanwalt einen Strafantrag bei der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder beim örtlich zuständigen Gericht stellen oder diesen bei der Staatsanwaltschaft oder beim Gericht zur Niederschrift geben. Dies sollte, ggf. nach Absprache mit einem Anwalt, möglichst zeitig nach dem Vorfall, spätestens aber binnen drei Monaten erfolgen (§ 77b StGB).

Seit der Strafrechtsreform wird bezüglich des Vergewaltigungsparagraphen § 177 das Problem der Nachweisbarkeit diskutiert. Diese Problematik stellt sich umso mehr bei der sexuellen Belästigung nach § 184i StGB.

Wie Sie bereits sehen konnten, hängt die Frage, ob ein Handeln den Straftatbestand der sexuellen Belästigung erfüllt, maßgeblich von subjektiven Merkmalen ab. Beim Beschuldigten geht es um die Frage, ob er die andere Person tatsächlich sexuell motiviert körperlich berühren wollte und ihm die sexuelle Bedeutung seines Handelns bewusst war. Hierbei geht es also hauptsächlich um die subjektiven Beweggründe des Handelnden. Mit der Frage des Vorsatzes werden sich die Gerichte also im Einzelfall schwertun. Dies gilt vor allem, wenn der Täter aufgrund der genauen Umstände irrig annahmen durfte, dass das Opfer den Körperkontakt als Kompliment, Werbung oder dergleichen auffassen würde. Denn dann hat er nicht vorsätzlich bezüglich einer Belästigung gehandelt.

Ähnliches gilt für die Frage der Belästigung, da es auch hier in erster Linie um das subjektive Empfinden der betroffenen Person geht. Auch hier ergeben sich viele Fragen für den Einzelfall, da Menschen sich durch jedes beliebige Verhalten belästigt fühlen können. Und es bei dem Tatbestandsmerkmal eben nicht um einen objektiven Zustand geht, der von einem Richter beurteilt werden könnte. Die Bestimmung der Belästigung erfolgt allein anhand des Empfindens des Opfers.

7. So verhalten Sie sich als Opfer oder Beschuldigter bei sexueller Belästigung

Zusammenfassend sollten Sie, ob als Opfer oder als Beschuldigter einer sexuellen Belästigung, beachten: Gerade wegen der aufgezeigten rechtlich verzwickten Situation im Sexualstrafverfahren, oft begleitet von Beweisproblemen und zahlreichen Rechtsfragen, ist es äußerst wichtig, sich frühzeitig von einem erfahrenen Anwalt für Sexualstrafrecht beraten und vertreten zu lassen.

Als Opfer einer Sexualstraftat sollten Sie sich umgehend nach dem Vorfall von einem Anwalt beraten lassen, der mit Ihnen das weitere Vorgehen berät und für Sie den Strafantrag stellen kann. Bei einer Verurteilung können Ihnen je nach dem Einzelfall auch Schmerzensgeldansprüche gegen den Täter zustehen.

Als Beschuldiger sollten Sie den Vorwurf der sexuellen Belästigung oder Beleidigung keinesfalls auf die leichte Schulter nehmen! Neben dem Strafverfahren können bei einer Verurteilung auch Schmerzensgeldforderungen des Geschädigten auf Sie zukommen. Daneben drohen bei einem Schuldspruch häufig auch berufliche und private Folgen.

Machen Sie also unbedingt von Ihrem Schweigerecht Gebrauch und suchen Sie umgehend einen Strafverteidiger auf, der für Sie Einblick in die Ermittlungsakte nehmen kann und mit Ihnen die beste Verteidigungsstrategie abstimmt.

8. Fazit

  • Die sexuelle Belästigung wird mit Geldstrafe oder Gefängnisstrafe bis zu zwei Jahren, in besonders schweren Fällen mit Gefängnisstrafe von mindestens drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
  • Voraussetzung für eine Verurteilung ist eine sexuelle Belästigung mit Körperkontakt; typisches Beispiel ist das „Busengrapschen“.
  • Maßgeblich für den Tatbestand ist der sexuell motivierte Vorsatz des Täters und das subjektive Empfinden einer Belästigung durch das Opfer; dies kann im Einzelfall zu Problemen bei der Nachweisbarkeit führen.
  • rein verbale sexuelle Belästigung kann nur als Beleidigung strafrechtlich verfolgt werden; im Arbeitsrecht können auch verbale Entgleisungen als sexuelle Belästigung gelten und führen zu einem Beschwerderecht nach dem AGG.