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Untersuchungshaft: Dauer, Gründe und Besuchsrecht

Wir erläutern, wie es zur Untersuchungshaft kommt und welche Rechte und Pflichten Sie als Beschuldigter in dieser Situation haben. Außerdem enthält dieser Artikel weitere Tipps für Sie und Ihre Angehörigen bei einer U-Haft – speziell in der JVA München-Stadelheim.

Wenn Sie Besuch von der Polizei erhalten und der Beamte Ihnen etwas von einem Haftbefehl erzählt, gibt es keinen Zweifel mehr: Ziel der anstehenden Fahrt mit den Polizeibeamten wird die Justizvollzugsanstalt sein.

Doch was heißt das eigentlich, Untersuchungshaft? Wann ist sie rechtens, was erwartet Sie in der Haft und welche Möglichkeiten bestehen, dagegen vorzugehen und wieder entlassen zu werden? Erfahren Sie hier alles Wichtige zur U-Haft.

1. Haftgründe – wann droht eine Untersuchungshaft?

In einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ist der Beschuldigte noch nicht verurteilt. Für Polizei und Staatsanwaltschaft gilt – wie auch im weiteren Strafverfahren als Angeklagter – bis zum rechtskräftigen Beweis der Tat die Unschuldsvermutung. Dennoch kann der so Beschuldigte unter bestimmten Voraussetzungen schon in diesem Stadium des Verfahrens hinter „schwedischen Gardinen“ landen.

Für Sie als Beschuldigten stellt die Untersuchungshaft (U-Haft) den härtesten Eingriff in Ihre Rechte dar, der innerhalb des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens möglich ist. Für diese spezielle Maßnahme müssen daher auch besondere Voraussetzungen erfüllt sein. Diese sind vorab durch einen Richter zu prüfen. Hält dieser eine U-Haft für begründet, erlässt er einen Haftbefehl gegen den Beschuldigten.

Für eine Untersuchungshaft und damit für einen Haftbefehl müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein:

Dringender Tatverdacht

Zunächst muss ein dringender Tatverdacht gegen den Beschuldigten bestehen. Doch der Verdacht einer Straftat alleine reicht nicht aus. Mit Ausnahme von sogenannten Kapitalverbrechen wie Mord, Totschlag oder ähnlich schweren Taten (siehe § 112 Abs. 3 StPO) muss zudem ein Haftgrund bestehen.

Haftgrund

Haftgründe, die eine U-Haft notwendig machen, sind folgende:

  • Fluchtgefahr: Man fürchtet, dass Sie im Zuge des Ermittlungsverfahrens flüchten oder Sie sind bereits auf der Flucht.
  • Verdunkelungsgefahr: Sie wirken auf Beteiligte oder Beweismittel ein und es besteht somit die Gefahr, dass die Ermittlungen der Polizei zum tatsächlichen Geschehen gefährdet werden.
  • Wiederholungsgefahr: Es besteht der dringende Verdacht, dass Sie die Straftat fortsetzen oder weitere Straftaten begehen.

Verhältnismäßigkeit

Schließlich muss die Verhaftung auch verhältnismäßig im Vergleich zur möglichen Strafe sein. Wer eine Tankstelle mithilfe von Waffen überfällt und ausraubt, kann mit einer U-Haft rechnen. Nicht aber, wer in der Tankstelle einige Packungen Zigaretten einsteckt und dabei erwischt wird – zumindest dann, wenn derjenige nicht bereits wiederholt straffällig geworden ist.

2. Mit oder ohne Haftbefehl?

Die Festnahme wegen Untersuchungshaft kann Sie überraschend treffen, insbesondere, wenn Sie von den laufenden Ermittlungen noch nichts wussten. Für die Festnahme wählt die Polizei Ort und Zeit so, dass Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit auch anzutreffen sind, beispielsweise am frühen Morgen bei Ihnen zuhause.

Lassen Sie sich bei der Festnahme den Haftbefehl zeigen. In diesem sind die Tatvorwürfe und die Haftbegründung vermerkt, z.B. Verdunkelungsgefahr.

In Ausnahmefällen dürfen die Ermittlungsbeamten aber auch ohne einen richterlich angeordneten Haftbefehl tätig werden. Daher kann es sein, dass Sie ohne Haftbefehl inhaftiert werden; hierbei handelt es sich dann um eine vorläufige Festnahme. Diese ist nur zulässig, wenn aus Sicht von Polizei und Staatsanwaltschaft die Voraussetzungen für einen Haftbefehl vorliegen, sie also Ihre Flucht, eine Verdunkelung oder weitere Straftaten befürchten. Der Festgenommene muss unverzüglich –  spätestens am nächsten Tag – dem Richter vorgeführt werden, der dann entweder die Freilassung anordnet oder einen Haftbefehl erlässt, § 128 StPO. Erfolgt keine Vorführung, endet die Frist mit Ablauf des Tages nach der Festnahme.

Leisten Sie auch bei einer vorläufigen Festnahme ohne Haftbefehl keinen Widerstand gegen die Polizeibeamten! Sie haben aber ein Recht, im ersten Schritt zumindest mündlich die Gründe für die U-Haft zu erfahren.

Nur wenn am nächsten Tag ein Haftbefehl von einem Richter erlassen wird, kann die Untersuchungshaft fortgesetzt werden. Anderenfalls muss man Sie wieder aus der Haft entlassen.

3. Ihre Rechte als Beschuldigter

Bei einer Festnahme haben Sie das Recht, einen Strafverteidiger anzurufen. Kontaktieren Sie ihn spätestens aus der Untersuchungshaft hinaus.

Wir sind für Sie 24 Stunden am Tag unter der Rufnummer 0172 / 95 37 229 erreichbar.

Wichtig ist: Lassen Sie sich keinesfalls auf die Versuche von Polizei und Staatsanwaltschaft ein, Sie nach der Festnahme zu verhören. Sie haben ein Schweigerecht, welches Sie unbedingt auch nutzen sollten. Selbst wenn Sie unschuldig sind – der dringende Tatverdacht gegen Sie muss irgendwoher kommen, d. h. das bisherige Ermittlungsergebnis weist darauf hin, dass Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit als Täter oder Teilnehmer eine Straftat begangen haben. Zu diesem Zeitpunkt wissen Sie nicht, was bereits ermittelt wurde. Unbedachte Stellungnahmen können Sie „in Teufels Küche“ bringen, da jede Äußerung als Aussage gilt, die Sie später kaum korrigieren können. Warten Sie daher auf jeden Fall ab, bis Ihr Strafverteidiger anwesend ist, damit es zu keinen Fehlern und Missverständnissen kommt. Sie besprechen dann das weitere Vorgehen mit ihm und ob überhaupt zu diesem Zeitpunkt eine Aussage erfolgt.

Ihr Rechtsanwalt wird umgehend prüfen, ob der Haftbefehl oder eine vorläufige Festnahme überhaupt rechtlich zulässig sind. Liegen keine Haftgründe vor, kann Ihr Verteidiger dafür sorgen, dass Sie sofort freikommen und die Nacht nicht in Untersuchungshaft verbringen müssen.

Ein Strafverteidiger kann auch bereits vor einer Festnahme für Sie tätig werden, falls Sie Kenntnis von einer beabsichtigten Verhaftung haben oder mit einer solchen rechnen. Als Beschuldigter sind Sie zwar nicht verpflichtet, sich selbst zu stellen. Allerdings kann es auch schon in diesem Stadium sinnvoll sein, gemeinsam mit Ihrem Anwalt Maßnahmen in der Sache zu ergreifen und so das unschöne Erlebnis einer plötzlichen Festnahme an Ihrem Wohnort oder gar am Arbeitsplatz zu verhindern.

4. Ablauf und Haftbedingungen der U-Haft

Die U-Haft wird von vielen Betroffenen als schwerwiegender Eingriff in ihre persönliche Freiheit erlebt. Und tatsächlich gibt es in Untersuchungshaft einige Einschränkungen, die über die Haftbedingungen einer Strafhaft hinausgehen.

Dies mag für einen Tag oder eine Nacht noch erträglich sein, wer aber mehrere Wochen als Untersuchungshäftling verbringt, empfindet die drastischen Haftbedingungen meist als sehr belastend.

Je nach Bundesland sind die Haftbedingungen der U-Haft unterschiedlich und hängen hinsichtlich der Unterbringung auch davon ab, ob es sich um eine neue oder um eine ältere Haftanstalt handelt. Allerdings stehen allen Untersuchungshäftlingen bestimmte Rechte zu, die stets gewährt werden müssen. Dazu gehört etwa der Anspruch auf eine Einzelzelle – Sie können also nicht gezwungen werden, sich eine Zelle mit anderen Gefangenen zu teilen, wenn keine besonderen Umstände dafürsprechen, z.B. bei Suizidgefahr. Tatsächlich wird dieses Recht allerdings in vielen Haftanstalten aus Gründen der Überbelegung missachtet.

Im Einzelnen gelten u. a. folgende Haftbedingungen für jede Haftanstalt:

Telefonate

Zu gestatten ist Ihnen ein unverzügliches Telefonat mit einem Strafverteidiger oder – falls Ihnen ein Anwalt noch nicht bekannt ist – z. B. mit einem Angehörigen, um diesen über die Haft zu informieren. Zudem kann er für Sie im Anschluss einen Anwalt kontaktieren. Diesen Angehörigen oder eine sonstige Person des Vertrauens können Sie telefonisch oder schriftlich benachrichtigen.

Jedes zusätzliche Telefonat mit Angehörigen oder Freunden bedarf einer vorherigen Erlaubnis des Staatsanwaltes oder des Haftrichters. Diese werden recht selten erteilt, da sonst schwer kontrollierbar ist, welcher Nachrichtenaustausch stattfindet.

Post

Auch sonstiger, unkontrollierter Kontakt nach außen ist nicht erlaubt. Daher erhalten die Untersuchungsgefangenen auch keinen Zugang zum Internet.

Die Post der Untersuchungshäftlinge wird kontrolliert. Jedes Schmuggeln von Nachrichten an der Kontrolle vorbei ist verboten, auch wenn dies tatsächlich häufig vorkommt, z. B. mittels Mitgefangener, die aus der Haft entlassen werden. Hiervon kann nur abgeraten werden. Wird ein solcher Schmuggelversuch entdeckt und sind Angehörige involviert, handeln Sie sich damit eine Ordnungswidrigkeit mit Geldbuße ein und weiterer Besuch könnte verweigert werden. Für Sie als Beschuldigter aber hat das Ganze schlimmere Folgen: Der Brief wird beschlagnahmt und Teil der Gerichtsakte zum Strafverfahren. Ergeben sich hieraus verdächtige Inhalte, werden diese im Strafprozess unmittelbar gegen Sie verwendet.

5. Besuchsregelungen und weitere Hinweise für die JVA München

Die JVA München auf der Stadelheimer Straße 12 im Stadtteil Giesing – auch JVA Stadelheim genannt – zählt zu den größten Justizvollzugsanstalten in Deutschland. Für den Fall einer Untersuchungshaft in der JVA München hier die wichtigsten Infos für Sie und Ihre Angehörigen:

Wie in jeder Haftanstalt sind Besuche in der JVA München durch Angehörige und sonstige Personen in bestimmten zeitlichen Abständen möglich. Untersuchungsgefangenen ist ein Besuchstermin alle zwei Wochen von je 30 Minuten mit maximal drei Besuchern gestattet. Ausnahmen hiervon genehmigen der Haftrichter oder der Staatsanwalt nur aus wichtigen Gründen. Daher sollten Verwandte und Freunde die Haftbesuche miteinander abstimmen und ggf. gemeinsam wahrnehmen. Zu beachten ist, dass alle Besuche von Untersuchungshäftlingen überwacht werden.

Für den Besuch benötigt man eine Besuchserlaubnis, die bei der Staatsanwaltschaft oder dem Haftrichter zu beantragen ist. Konkret können sich Angehörige oder Bekannte für telefonische Auskünfte und eine Voranmeldung zu folgenden Zeiten unter der Telefonnummer 089 / 699 22 – 250 melden: Montags bis donnerstags von 09.00 bis 11.30 Uhr und von 13.00 Uhr bis 16:00 Uhr, freitags von 09.00 bis 12.00 Uhr.

Bei der Anmeldung müssen Sie als Angehöriger Ihren Familiennamen und das Geburtsdatum des Gefangenen angeben sowie den gewünschten Besuchstermin.

Die Anmeldung muss mindestens einen Tag im Voraus erfolgen, d. h. der gewünschte Besuch kann frühestens am nächsten Tag erfolgen.

Die Besuchszeiten der JVA Stadelheim für Angehörige oder Bekannte sind wie folgt: montags bis freitags von 07.30 bis 10.00 Uhr, montags bis donnerstags zudem von 12.00 bis 15.00 Uhr. Daneben auch jeden dritten Samstag im Monat von 07.00 bis 10.00 Uhr und von 12.00 Uhr bis 14.30 Uhr.

Jeder Besucher muss einen gültigen Personalausweis oder Reisepass vorlegen, mit dem die Identität zweifelsfrei festgestellt werden kann. Führerscheine, Fahrzeugpapiere und abgelaufene aufenthaltsrechtliche Papiere genügen nicht.

Weitere Kontaktdaten, Anmelde- und Öffnungszeiten für Besuche in den weiteren Anstalten der JVA München, der Frauenanstalt und dem Jugendarrest, welche sich beide auf der Schwarzenbergstraße in München befinden, finden Sie auf den Seiten der JVA München.

Mitbringsel aller Art sind verboten. Dies gilt auch für Zigaretten und Medikamente. Kleidung und Wäsche für den Inhaftierten kann an der Pforte abgegeben werden. Bücher, Zeitungen und sonstige Literatur muss direkt bei Verlagen oder Buchhandlungen bestellt werden und wird von dort unmittelbar an den Gefangenen übersandt.

Damit sich der Gefangene in der JVA zusätzliche Lebensmittel wie Obst und Süßigkeiten oder aber z. B. Zigaretten kaufen kann, können Angehörige für ihn einen angemessenen Betrag auf sein Haftkonto überweisen, z. B. 100 € monatlich. Hierzu erteilt die JVA München Ihnen weitere Auskünfte.

Weitere Hinweise zum Haftantritt finden Sie zudem in einem ausführlichen Hinweisblatt des Justizvollzugs in Bayern.

6. Weiteres Verfahren und Dauer der Untersuchungshaft

Ihr Strafverteidiger wird umgehend Ihre Ermittlungsakte bei der Staatsanwaltschaft anfordern und sich einen ersten Überblick über den Tatvorwurf machen. Spätestens am Tag nach der Verhaftung findet ein Vorführtermin statt, indem über die Untersuchungshaft oder eine Haftverschonung, ggf. mit Festsetzung einer Kaution, entschieden wird. Gegen Beschlüsse des Haftrichters ist die schriftliche Beschwerde zulässig.

Wird die Untersuchungshaft angeordnet, findet auf entsprechenden Antrag spätestens zwei Wochen nach der Verhaftung eine Haftprüfung statt. Hier prüft der Ermittlungsrichter, ob die U-Haft fortgesetzt wird. Da Ihrem Strafverteidiger dann bereits die Ermittlungsakte vorliegt, hat er einen Überblick über die Ermittlungsergebnisse und kann den Termin vorbereiten. Die Fortsetzung der Untersuchungshaft ist nur zulässig, wenn weiterhin dringender Tatverdacht besteht.

Reichen die belastenden Beweise nicht, sind Sie als Betroffener aus der Haft zu entlassen. Bei einer zu Unrecht erfolgten Untersuchungshaft bestehen Schadensersatzansprüche. Erfolgt dagegen keine Freilassung, ist als weiteres Rechtsmittel eine Haftbeschwerde zum nächsthöheren Gericht möglich. Entscheidet diese ebenfalls gegen eine Freilassung, bleibt der Beschuldigte in der Regel bis zur Hauptverhandlung in U-Haft. Bis dahin dauert es etwa drei Monate, bei umfangreicheren Verfahren kann es aber auch bis zu sechs Monate dauern. In diesem Stadium wird Ihr Strafverteidiger mit Ihnen eine Verhandlungsstrategie abstimmen und im Falle einer neuen, für Sie günstigeren Beweislage sofort handeln, so dass ggf. doch noch eine Entlassung aus der U-Haft möglich wird.

7. Fazit

  • Untersuchungshaft ist nur möglich, wenn ein dringender Tatverdacht besteht.
  • Außer bei Kapitalverbrechen wie Mord und Totschlag muss einer der folgenden Haftgründe vorliegen: Flucht oder Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr, die Gefahr weiterer Straftaten.
  • Voraussetzung für eine U-Haft ist ein Haftbefehl oder ausnahmsweise eine vorläufige Festnahme bis zum nächsten Tag.
  • Keine Angaben ohne Strafverteidiger – in vielen Fällen kann mit anwaltlicher Hilfe noch am Tag der Festnahme eine Entlassung erreicht werden.