Artikel bewerten
VN:F [1.9.22_1171]
Bitte bewerten Sie diesen Artikel.
2.9 von 5 Sternen auf Grundlage von 8 Bewertungen

Blitzerfoto anfordern und prüfen: Ist das Beweisfoto ungültig?

Mithilfe von „Blitzerfotos“ werden Fahrzeugkennzeichen und Identitäten von Verkehrssündern dokumentiert. Doch das gelingt nicht immer. Verdeckte Gesichter oder schmutzige Kennzeichen? Wir erklären Ihnen, wie Sie Blitzerfotos richtig überprüfen, wann diese ungültig sind und was Sie dann tun können.

1. Warum ist das Blitzerfoto überhaupt wichtig?

Das Blitzerfoto ist ein Beweismittel, um einen Verkehrsverstoß zu belegen. Mithilfe des Fotos vom Nummernschild kann die Behörde beweisen, mit welchem Fahrzeug die Ordnungswidrigkeit begangen wurde. Das allein genügt aber in der Regel noch nicht. In Deutschland gilt nämlich die sog. „Fahrerhaftung“: Für den Verkehrsverstoß muss derjenige einstehen, der auch wirklich gefahren ist. Das Foto des Fahrers ist daher ein wichtiges Beweisstück, um den Verkehrsverstoß der richtigen Person zur Last zu legen.

2. Kann ich ein aussagekräftiges Beweisfoto anfordern?

Das Foto auf dem Bußgeldbescheid ist meist nur in schwarz-weiß-Optik abgedruckt und darüber hinaus oft stark verpixelt. Da fällt es manchmal sogar schwer, eigene Familienangehörige zu identifizieren. Manche Bescheide ergehen auch ohne Beweisfoto, denn die Behörde ist nicht dazu verpflichtet, das Foto im Bescheid abzudrucken.

Der Behörde liegt in der Regel ein Foto in besserer Qualität vor. Bevor Sie gegen den Bußgeldbescheid Einspruch einlegen, sollten Sie das Foto in der Originalqualität anfordern.

Doch wie läuft das nun genau ab?

  • Bevor Sie Ihr Foto bei der Behörde anfordern, lesen Sie zunächst aufmerksam Ihren Bußgeldbescheid und Anhörungsbogen. Je nach technischem Stand der zuständigen Behörde lässt sich das Foto bereits online einsehen – im Bescheid sind dann alle Informationen dafür enthalten, wie Sie digital an Ihr Foto gelangen.
  • Viele Behörden sind leider noch in der digitalen Findungsphase und bieten keine direkte, digitale Einsichtsmöglichkeit. In diesem Fall haben Sie jedoch das aus § 49 OWiG (Gesetz über Ordnungswidrigkeiten) folgende Recht, Einsicht in Ihre Akten zu beantragen. Auf diesem Weg können Sie auch das Blitzerfoto einsehen. Die Akteneinsicht nach § 49 OWiG setzt jedoch einen schriftlichen Antrag voraus. Auch wird Ihnen das Foto nicht direkt ausgehändigt – vielmehr bekommen sie meist nur die Möglichkeit, die Akte bei der Behörde vor Ort zu begutachten. Fordern Sie das Foto jedoch über einen Rechtsanwalt an, gibt die Behörde die Akte bis zu vier Wochen lang an den Anwalt heraus. Die Beauftragung eines erfahrenen Rechtsanwalts lohnt sich auch, um bei der Beantragung der Akteneinsicht keine Fehler zu machen.
Die Gewährung der Akteneinsicht kostet Sie bis zu 12 Euro (vgl. § 107 Abs. 5 OWiG).

3. Wann ist das Beweisfoto ungültig?

Damit das Foto eine rechtmäßige Beweisfunktion erfüllen kann, müssen bestimmte Voraussetzungen vorliegen:

  • Auf dem Foto muss zunächst das Nummernschild des Fahrzeuges erkennbar sein. Ist dieses z.B. verdreckt oder sind einzelne Buchstaben aus anderen Gründen nicht lesbar, ist eine rechtssichere Zuordnung des Fahrzeuges nicht möglich.
  • Zudem muss das Gesicht des Fahrers so deutlich erkennbar sein, dass dieser eindeutig identifizierbar ist. Deshalb müssen zumindest die wichtigsten Gesichtszüge (wie Mund, Nasen und Augen) auf dem Foto einwandfrei zu erkennen sein.

Ist das Gesicht verdeckt – z.B. durch eine große Sonnenbrille, die Sonnenblende, einen Schatten oder eine erhobene Hand – lässt das Blitzerfoto unter Umständen keine eindeutige Identifizierung des Fahrers zu. Das Foto kann dann von der Behörde nicht mehr als Beweis für einen Verkehrsverstoß herangezogen werden.

Achtung: Kann die Behörde Blitzerfotos Ihres Fahrzeugs immer wieder nicht verwerten, weil Sie z.B. stets die Hand vor Ihr Gesicht halten, werden Sie unter Umständen zur Führung eines Fahrtenbuchs verpflichtet.

4. Wann lohnt sich die Prüfung des Beweisfotos?

Die Prüfung des Fotos lohnt sich immer dann, wenn Sie vermuten, dass das Foto ungültig ist (vgl. oben unter 3.). Ist etwa das Gesicht des Fahrers auf dem Foto im Bußgeldbescheid schlecht erkennbar, sollten Sie einen genaueren Blick auf das Foto bei der Behörde werfen.

Ob der Fahrer eindeutig identifiziert werden kann oder nicht, hängt im Zweifel von einem Gutachten ab. Denn das Gericht kann nach einem Einspruch gegen den Bescheid ein sog. „anthropologisch-morphologisches Gutachten“ anordnen. Ein Gutachter prüft das Bild dann ganz genau und gibt dem Gericht eine Entscheidungshilfe, ob die Person auf dem Foto identifizierbar ist oder nicht.

Ein solches Gutachten kann schnell teuer werden. Sprechen Sie daher unbedingt mit einem Rechtsanwalt für Verkehrsrecht. Er kann einschätzen, ob sich die nähere Prüfung des Blitzerfotos für Sie lohnt.

5. Kann ich Widerspruch gegen das Blitzerfoto einlegen?

Wenn das Blitzerfoto seine Beweisfunktion nicht erfüllt (z.B. weil eine Kappe das Gesicht verdeckt oder das Foto allgemein zu unscharf ist), können Sie Einspruch gegen den Bußgeldbescheid einlegen. Kommt nun auch die Behörde oder aber das Gericht zur Überzeugung, dass Sie auf dem Foto nicht zu erkennen sind, wird der Bußgeldbescheid aufgehoben. Wenn das Gericht mithilfe eines Gutachtens jedoch zu dem Entschluss kommt, dass Sie sehr wohl erkennbar sind, tragen Sie neben dem Bußgeld auch die Gerichtskosten und die Kosten für den Gutachter.

Möchten Sie Einspruch einlegen, müssen Sie Folgendes beachten:

  • Für Ihren Einspruch haben Sie 14 Tage Zeit. Diese 14 Tage beginnen zu laufen, sobald der Bußgeldbescheid in Ihrem Briefkasten liegt – nicht erst dann, wenn Sie ihn tatsächlich lesen! Außerdem muss der Einspruch innerhalb der 14 Tage bei der Behörde zugegangen sein. Es ist also in jedem Fall Eile geboten.
  • Der Einspruch muss schriftlich (also per Brief oder Fax) eingereicht werden. Es genügt keinesfalls, die Behörde telefonisch zu informieren. Der Einspruch ist an die Behörde zu richten, die auch Ihren Bußgeldbescheid erlassen hat. Sie finden die Adresse im Briefkopf des Bescheids und auch in der Widerspruchsbelehrung.
  • Sie müssen den Einspruch zunächst nicht begründen. Streng genommen reicht ein Satz, der ausdrückt, dass Sie gegen den Bescheid Einspruch erheben möchten. Im Internet gibt es eine Reihe von Mustererklärungen für den Einspruch. Allerdings ist kein Fall wie der andere. Wenn Sie sicher gehen wollen, dass Sie beim Einspruch keinen Fehler machen, sollten Sie einen Rechtsanwalt für Verkehrsrecht beauftragen. Er prüft alle Voraussetzungen und wählt die passende Formulierung, damit Ihr Einspruch die besten Erfolgsaussichten hat. Er kann Sie auch bei einer eventuell folgenden Gerichtsverhandlung vertreten.

6. Welche Folgen hat ein Einspruch gegen den Bußgeldbescheid?

Wenn Sie gegen den Bußgeldbescheid fristgerecht Einspruch eingelegt haben, wird der Bescheid zunächst nicht rechtskräftig. Das bedeutet im Ergebnis, dass Sie die verhängte Geldbuße erst einmal nicht zahlen müssen. Auch ein eventuell verhängtes Fahrverbot tritt nicht in Kraft. Das Verfahren ist so lange ausgesetzt, bis die Behörde den Bescheid zurücknimmt oder ein Richter über den Fall entschieden hat.

7. Fazit

  • Das Blitzerfoto ist ein wichtiges Beweisstück im Bußgeldprozess, um Fahrzeug und Fahrer zu identifizieren.
  • Ist das Foto nicht im Bußgeldbescheid abgedruckt oder hat es eine schlechte Qualität, können Sie das Foto bei der Behörde anfordern.
  • Auf dem Blitzerfoto muss der Fahrer des Wagens zweifelsfrei identifizierbar sein – andernfalls ist der Bußgeldbescheid ungültig.
  • Gegen einen Bußgeldbescheid können Sie innerhalb von zwei Wochen schriftlich Einspruch einlegen. Das Bußgeldverfahren pausiert dann.
  • Kommt es zum gerichtlichen Verfahren, kann ein Gutachter zur Prüfung des Blitzerfotos hinzugezogen werden. Verlieren Sie den Prozess, müssen Sie die Gerichts- und Gutachterkosten tragen.
  • Ein erfahrener Rechtsanwalt für Verkehrsrecht kann einschätzen, ob sich ein Einspruch lohnt. Er übernimmt auch die Kommunikation mit den Behörden und vertritt Sie vor Gericht.