Artikel bewerten
VN:F [1.9.22_1171]
Bitte bewerten Sie diesen Artikel.
4.3 von 5 Sternen auf Grundlage von 3 Bewertungen

So vermeidet man Scheinselbständigkeit bei freien Mitarbeitern

Die Beschäftigung eines freien Mitarbeiters hat für den Arbeitgeber einige Vorteile. Rechtlich ergeben sich aber Stolpersteine. Hier erfahren Sie, wie man die Zusammenarbeit reibungslos gestalten kann.

1. Was bedeutet freier Mitarbeiter?

Der Einsatz freier Mitarbeiter wird zunehmend beliebter. Warum aber nutzen so viele Arbeitgeber freie Mitarbeiter? Wo ist der Unterschied zu einem fest angestellten Arbeitnehmer?

Der Arbeitnehmer ist aufgrund eines Arbeitsvertrags (§ 611a), der freie Mitarbeiter hingegen typischerweise aufgrund eines Dienst- oder Werkvertrags beschäftigt. Der freie Mitarbeiter ist daher selbstständig. Er ist Unternehmer.

Juristisch korrekt ist also derjenige, der einen freien Mitarbeiter beschäftigt, gar nicht sein Arbeitgeber. Er wird stattdessen meist als „Auftraggeber“ bezeichnet.

Aufgrund seiner Selbstständigkeit darf ein freier Mitarbeiter anders als ein Arbeitnehmer grundsätzlich für mehrere Auftraggeber tätig werden. Er hat daher die Möglichkeit, sich auch ohne Erlaubnis mehrere Einkommensquellen zu sichern und kann selbst entscheiden, welche Aufträge er annimmt.

Da der freie Mitarbeiter kein Arbeitnehmer ist, müssen für ihn auch keine Sozialabgaben gezahlt werden. Der freie Mitarbeiter muss sich stattdessen in aller Regel selbst um seine Versicherungen kümmern und Vorsorge betreiben. Auch ist er grundsätzlich nicht durch das Arbeitsrecht geschützt.

Daraus resultieren für den Arbeitgeber einige Vorteile bei der Beschäftigung eines freien Mitarbeiters:

  • Kein Kündigungsschutz
  • Flexibler Einsatz
  • Kein festes monatliches Gehalt
  • Keine Ansprüche auf bezahlten Urlaub
  • Keine Vertretung durch den Betriebsrat

2. Was ist der Unterschied zwischen Arbeitnehmer und freiem Mitarbeiter?

Die Tätigkeit als freier Mitarbeiter oder in einem Anstellungsverhältnis unterscheidet sich in wesentlichen Punkten. Umso wichtiger ist es, zwischen beiden Formen zu unterscheiden.

Weisungsgebundenheit

Erste Anhaltspunkte liefert das Gesetz (§ 611a BGB; § 7 IV SGB IV). Ganz entscheidend kommt es auf die Weisungsgebundenheit des Mitarbeiters an.

Weisungsgebunden ist jemand, dem Inhalt, Ort und Zeit der Arbeit im Wesentlichen vom Arbeitgeber vorgeschrieben werden. Freier Mitarbeiter ist hingegen, wer seine Tätigkeit selbst gestaltet und Arbeitszeit und -ort frei bestimmt.

Natürlich sind auch freie Mitarbeiter im gewissen Maße an Weisungen des Auftraggebers gebunden. Sonst würden sie dem Auftrag nicht gerecht. Je enger die Vorgaben allerdings bzgl. Arbeitszeit und -ort sind, desto eher sind sie angestellt. Allein inhaltliche Vorgaben sprechen zum Beispiel eher für die Selbständigkeit.

Also: Die Selbstständigkeit des freien Mitarbeiters muss vom Auftraggeber unbedingt beachtet werden. Behandelt er ihn hingegen wie einen normalen Arbeitnehmer, droht die Scheinselbstständigkeit.

Von Scheinselbstständigkeit spricht man, wenn ein Arbeitnehmer fälschlicherweise als freier Mitarbeiter beschäftigt wird. Welche Folgen dies hat, erfahren Sie weiter unten.

Checkliste für weitere Indizien

Daneben müssen bei der Unterscheidung zwischen Arbeitnehmer und freiem Mitarbeiter u.a. folgende Indizien dieser Checkliste beachtet werden:

  • Der freie Mitarbeiter muss von seinem Lohn noch eine hohe Summe für Versicherungen abziehen. Er wird daher typischerweise höher entlohnt als ein vergleichbarer Arbeitnehmer.
  • Eigene Büroräume oder Mitarbeiter des freien Mitarbeiters sprechen für eine Selbstständigkeit.
  • Darf der freie Mitarbeiter die Arbeit auch von Dritten erledigen lassen, spricht dies ebenfalls für eine Selbstständigkeit.
  • Ist der Arbeitgeber der einzige Auftraggeber des „freien Mitarbeiters“ und dieser daher wirtschaftlich abhängig, spricht dies gegen eine Selbstständigkeit.
  • Ein anderer Hinweis auf Scheinselbstständigkeit liegt vor, wenn der freie Mitarbeiter nicht selbst am Markt auftritt und keinerlei unternehmerisches Risiko trägt.
  • Dafür spricht auch ganz entscheidend, dass der Betroffene in die Arbeitsabläufe fest eingebunden ist (z.B. Absprache von Urlaubszeiten, dauerhafte und regelmäßige Beanspruchung, „Auftraggeber“ bestimmt Dienstpläne,…)
  • Ein festes Gehalt, welches auch ohne konkrete Leistungen ausbezahlt wird, spricht stark für den Arbeitnehmerstatus.
  • Ebenso eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Aber Achtung: Eine pauschale Antwort ist nicht möglich. Betrachtet werden muss immer das Gesamtbild im Einzelfall. Das Vorliegen oder Nichtvorliegen eins Indizes heißt noch nicht, dass der Beschäftigte freier Mitarbeiter oder Arbeitnehmer ist.

Beispiele:

  • Auch im Rahmen einer variablen Erfolgsvergütung trägt ein Arbeitnehmer ein gewisses „unternehmerisches Risiko“. Freier Mitarbeiter ist er allein deshalb noch nicht.
  • Nur weil ein Selbständiger lediglich einen Kunden hat und deshalb wirtschaftlich stark von diesem abhängig ist, bedeutet noch nicht, dass er Angestellter dort ist (s.u. bei arbeitnehmerähnlichen Personen).

3. Angestellt oder selbständig – entscheiden das nicht die Vertragsparteien?

Es ist nicht möglich, dass die Beteiligten selbst über den Status des freien Mitarbeiters entscheiden. Die Abgrenzung zwischen Arbeitnehmer und freiem Mitarbeiter erfolgt rein objektiv, also anhand der tatsächlichen Beschäftigung.

Beispiel: Arbeitgeber A sucht einen neuen Mitarbeiter. Bei der Beschäftigung würde es sich eigentlich um ein Arbeitsverhältnis handeln. A möchte aber Sozialabgaben sparen und vereinbart daher mit Bewerber B, dass B unabhängig von der Art seiner Beschäftigung als freier Mitarbeiter gilt. Sie nennen den Vertrag daher „Dienstvertrag“. Ist das möglich?

Nein, ob B freier Mitarbeiter ist, wird objektiv bestimmt. Wie A und B ihren Vertrag bezeichnen, ist hingegen unerheblich. Der B ist daher Arbeitnehmer.

Der Wille der Beteiligten kann allenfalls ein erstes Indiz sein.

4. Was ist eine „arbeitnehmerähnliche Person“?

Freie Mitarbeiter sind also grundsätzlich selbstständig und kommen daher nicht wie Arbeitnehmer in den Genuss von sozial- und arbeitsrechtlichen Vorzügen.

Ist ein freier Mitarbeiter von seinem Auftraggeber jedoch wirtschaftlich abhängig, ist er besonders schutzbedürftig. Wirtschaftliche Unselbstständigkeit liegt meist vor, wenn der freie Mitarbeiter nur für einen Auftraggeber tätig wird und dieses Einkommen seine Existenzgrundlage ist.

In diesem Fall ist er zwar selbstständig, steht aber dem Arbeitnehmer nahe. Er ist dann eine „arbeitnehmerähnliche Person“. Die Abgrenzung zum Scheinselbstständigen ist oftmals schwer. Arbeitnehmerähnliche Personen sind aber richtige Selbstständige, während der Scheinselbstständige eigentlich Arbeitnehmer ist.

Beispiel: Journalist A ist nur für B tätig und erzielt hieraus sein einziges Einkommen. A ist vollkommen weisungsfrei, arbeitet von zu Hause und verfasst nach eigenem Ermessen in unregelmäßigen Abständen Artikel für die Zeitschrift des B.

Ist A Arbeitnehmer? Nein, B erteilt dem A keine Weisungen und hat ihn nicht in seinen Betrieb eingegliedert.
Ist A arbeitnehmerähnliche Person? Ja, A hat keine anderen Auftraggeber, erzielt aus dieser Tätigkeit sein gesamtes Einkommen und ist daher wirtschaftlich abhängig.

Arbeitnehmerähnliche Personen werden in einigen Punkten anders behandelt als klassische Selbstständige. So

  • haben diese einen Anspruch auf Urlaub ( 2 BurlG),
  • unterliegen der Arbeitsgerichtsbarkeit
  • und müssen sich gegebenenfalls in der gesetzlichen Rentenversicherung selbst versichern.

5. Welche Folgen drohen bei Scheinselbstständigkeit?

So verlockend die Vorteile eines freien Mitarbeiters für den Arbeitgeber auch erscheinen mögen, so hart sind die Folgen bei Scheinselbstständigkeit.

Strafbarkeit

Die (zumindest persönlich) härteste Folge zuerst: Wer einen Scheinselbstständigen beschäftigt, zahlt keine Sozialbeiträge. Das Vorenthalten von Sozialbeiträgen ist jedoch strafbar gemäß § 266a StGB. Daneben ist auch eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung (§ 370 AO) möglich.

Es handelt sich hierbei nicht um Kavaliersdelikte. Im schlimmsten Fall droht dem Arbeitgeber bzw. den handelnden Leitungspersonen eine Freiheitsstrafe. Der Betroffene ist dann gegebenenfalls vorbestraft. Erforderlich ist hier aber grundsätzlich vorsätzliches Handeln. Auch bei fahrlässigem Handeln liegt jedoch immer noch eine Ordnungswidrigkeit vor, welche ein hohes Bußgeld mit sich bringt (§ 378 AO; § 8 SchwarzArbG).

Sollte ein Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahren drohen, ist rechtliche Beratung daher dringend nötig.

Nachzahlung von Sozialbeiträgen

Oftmals bleibt die Scheinselbstständigkeit längere Zeit unentdeckt. Fliegt die ganze Sache aber nach Jahren im Rahmen einer Betriebsprüfung auf, wird es teuer.

Denn in diesem Fall werden die fehlenden Sozialversicherungsbeiträge nachgefordert. Hierbei muss der Arbeitgeber grundsätzlich nicht nur seinen eigenen, sondern auch den Anteil des Arbeitnehmers zahlen. Mitunter versucht der Arbeitgeber mit dem Scheinselbstständigen vertraglich zu vereinbaren, dass der Scheinselbstständige bei Nachforderung der Sozialbeiträge diese selbst zahlen soll. Eine solche Vereinbarung verstößt aber gegen das Gesetz und ist nichtig.

Der Anspruch auf die Beiträge verjährt bei vorsätzlichem Handeln erst nach 30 Jahren. Bei unvorsätzlichem Handeln muss zumindest mit einer vierjährigen Rückforderung gerechnet werden (§ 25 I SGB IV).

Hinzu können Säumniszuschläge in Höhe von einem Prozent pro Monat kommen (§ 24 SGB IV).

Daneben muss auch die Lohnsteuer nachgezahlt werden. Arbeitnehmer und Arbeitgeber haften dafür nebeneinander. Schon gezahlte Einkommenssteuer des Arbeitnehmers ist natürlich anzurechnen.

Arbeitnehmerrechte

Wird ein Arbeitnehmer fälschlich als freier Mitarbeiter beschäftigt, so kann er auf Feststellung seines Arbeitnehmerstatus klagen, um in die Vorzüge des Arbeitnehmerschutzes zu gelangen.

Die vermeintliche Flexibilität des freien Mitarbeiters verkehrt sich dann für den Arbeitgeber in das Gegenteil. Statt eines selbständigen freien Mitarbeiters muss er dauerhaft einen weiteren Arbeitnehmer bezahlen, dessen Kündigung zudem durch das Kündigungsschutzgesetz erschwert wird. Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dürften sogar Urlaubsansprüche aus der Vergangenheit geltend gemacht werden können.

Regressansprüche der Unfallversicherung

Auch drohen folgenschwere Regressansprüche. Bei einer ordnungsgemäßen Beschäftigung als Arbeitnehmer wäre der freie Mitarbeiter gesetzlich unfallversichert. Versucht der Arbeitgeber, die Zahlung der Beiträge durch die Scheinselbstständigkeit zu umgehen, muss er bei einem Unfall des Mitarbeiters dem Versicherungsträger sämtliche Aufwendungen ersetzen (§ 110 Ia SGB VII).

Bei einem schweren Unfall sind die Folgekosten in einem solchen Fall oftmals nicht absehbar.

6. Scheinselbständigkeit vermeiden

Wie im Einzelfall die Scheinselbständigkeit vermieden wird, kann nur eine anwaltliche Beratung beantworten. Drei Empfehlungen lassen sich aber für die Zusammenarbeit auch hier geben:

  1. Besteht Unsicherheit, ob eine selbstständige Tätigkeit vorliegt, kann bei der Deutschen Rentenversicherung ein Statusfeststellungsverfahren eingeleitet werden. Ein solches Verfahren sollte aber gut vorbereitet werden, da andernfalls eine falsche Darstellung des Sachverhalts droht.
  2. Im Vertrag zwischen freiem Mitarbeiter und Auftraggeber sollte ausdrücklich vom Dienst- oder Werkvertrag gesprochen werden. Bleibt die Bezeichnung offen, ist dies das erste Einfallstor für Zweifel (ausschlaggebend bleiben aber natürlich die tatsächlichen Verhältnisse).
  3. Im Vertrag sollten die Inhalte der o.g. Checkliste wiederzufinden sein. Es sollte dem Auftragnehmer etwa ausdrücklich freigestellt werden, wann und wo er arbeitet. Entscheidend kommt es dann darauf an, dass der Vertrag tatsächlich auch mit diesen Freiheiten durchgeführt wird.

7. Fazit

  • Freie Mitarbeiter sind aufgrund eines Dienst- oder Werkvertrages angestellt, während Arbeitnehmer aufgrund eines Arbeitsvertrages beschäftigt werden. Freie Mitarbeiter sind daher selbstständig.
  • Sie können sich nicht auf den Kündigungsschutz berufen. Für sie müssen keine Sozialbeiträge entrichtet werden.
  • Die Abgrenzung erfolgt rein objektiv anhand der tatsächlichen Durchführung des Vertrags. Die Bezeichnung des Vertrags ist irrelevant.
  • Arbeitnehmer sind anders als freie Mitarbeiter weisungsgebunden und in den Betriebsablauf eingebunden.
  • Ist ein Beschäftigter eigentlich Arbeitnehmer, wird aber als freier Mitarbeiter beschäftigt, spricht man von „Scheinselbstständigkeit“ oder „Schwarzarbeit“.
  • Im Falle der Scheinselbstständigkeit drohen dem Arbeitgeber harte Konsequenzen: Er kann sich strafbar machen, es drohen Bußgelder, Regressansprüche und eine Nachzahlung von Sozialbeiträgen. Zudem kann sich der Beschäftigte in ein festes Arbeitsverhältnis einklagen.