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Verjährung von Bußgeldbescheiden (Rotlicht, Geschwindigkeit, Alkohol, Fahrerflucht)

Wer schon einmal geblitzt wurde, hat meistens noch Hoffnung, dass doch kein Brief nach Hause kommt. Nicht selten ist diese Hoffnung auch nicht unberechtigt, denn rein ordnungswidrige Verkehrsdelikte verjähren schnell. Wir erläutern, wann Sie ruhigen Gewissens davon ausgehen können, dass Sie noch einmal Glück gehabt haben.

1. Wann verjähren Rotlichtverstöße und Geschwindigkeits­überschreitungen?

Wer über eine rote Ampel fährt oder geblitzt wurde, muss mit einem Bußgeldverfahren rechnen. Bei geringfügigen Verstößen kommt es jedoch hin und wieder vor, dass Betroffene keinen Anhörungsbogen und keinen Bußgeldbescheid zugeschickt bekommen. Dann stellt sich die Frage nach der Verjährung.

Verkehrsordnungswidrigkeiten verjähren in aller Regel bereits nach drei Monaten, wenn bis dahin noch kein Bußgeldbescheid ergangen ist und noch kein Anhörungsbogen versendet wurde (sog. Verfolgungsverjährung).

Die dreimonatige Verjährungsfrist gilt bei Verkehrsordnungswidrigkeiten im Rahmen der StVO. Dazu zählen beispielsweise

Die Verjährungsfrist beginnt in diesen Fällen mit dem Tag des Verkehrsverstoßes. Ob die Verkehrssünde verjährt ist, können sie also anhand des Datums des Verkehrsverstoßes, das auf dem Bußgeldbescheid angegeben werden muss, leicht selbst überprüfen.

Für die Rechtzeitigkeit des Bußgeldbescheides kommt es ausnahmsweise nicht auf den Eingang des Bußgeldbescheides beim Betroffenen an (Zugang), sondern auf das Ausstellungsdatum auf dem Bußgeldbescheid.

Beispiel: A wurde am 22.12.2023 (Datum des Verstoßes) geblitzt. Die Behörde stellt wegen hoher Arbeitsbelastung erst am 19.03.2024 (Ausstellungsdatum) einen Bußgeldbescheid aus. Weitere Maßnahmen (z.B. Versendung eines Anhörungsbogen) hatte sie zuvor nicht veranlasst. Der Bescheid trifft am 22.03.2024 (Zugang) bei A ein.
 
Der Bußgeldbescheid ist in diesem Fall noch nicht verjährt, denn die Verjährungsfrist endet am 21.03.2024, also einen Tag vor dem Ablauf von drei Monaten seit dem Verstoß. Dass der Bußgeldbescheid erst mehr als drei Monate nach dem Verkehrsverstoß bei A eintraf, ist nicht von Belang, denn er wurde noch rechtzeitig ausgestellt.
Der Zugang beim Betroffenen ist aber ausnahmsweise dann entscheidend, wenn zwischen diesem und dem Ausstellungsdatum auf dem Bußgeldbescheid mehr als zwei Wochen liegen.
 
Abgewandeltes Beispiel: Die Behörde hat den Bußgeldbescheid zwar noch rechtzeitig am 19.03.2024 (Ausstellungsdatum) ausgestellt, wegen interner Organisationsmängel geht dieser jedoch erst am 02.04.2024 zur Post und dem A am 04.04.2024 (Zugang) zu. In diesem Fall liegen mehr als zwei Wochen zwischen dem Ausstellungsdatum und dem Zugang bei A. Ausnahmsweise ist daher das Datum des Zugangs maßgeblich und der Bußgeldbescheid ist verjährt.

Hat die Behörde innerhalb von drei Monaten ab dem Verkehrsverstoß also noch nichts unternommen, tritt Verjährung ein und Betroffene müssen grundsätzlich nichts mehr befürchten, wenn sie noch keine Post erhalten haben.

Zur Verjährung kommt es hingegen nicht, wenn die Behörde zwar noch keinen Bußgeldbescheid erlassen hat, aber andere verjährungsunterbrechende Maßnahmen angeordnet hat. Dazu zählt insbesondere der sog. Anhörungsbogen:

Die Verjährungsfrist wird unterbrochen, wenn innerhalb von drei Monaten ein Anhörungsbogen zugeschickt wurde. Die Drei-Monats-Frist beginnt dann ab dem Erhalt des Anhörungsbogens von vorne. Das Verkehrsdelikt verjährt dann also nach spätestens sechs Monaten (max. drei Monate bis zum Versand des Anhörungsbogens + drei Monate Verjährungsfrist).

Daneben benennt § 33 OWiG weitere Gründe für eine Verjährungsunterbrechung, wie beispielsweise die vorläufige Einstellung des Verfahrens wegen Abwesenheit des Betroffenen.

Beispiel: A wurde geblitzt. Der Straßenverkehrsbehörde liegt jedoch keine gültige Meldeadresse des A vor. Sie stellt daher das Verfahren vorläufig ein, bis sie eine zustellfähige Adresse des A ermittelt hat. Die Verjährungsfrist wird dadurch unterbrochen.

2. Wann verjähren Bußgeldbescheide?

In vielen Fällen versendet die Straßenverkehrsbehörde trotz bereits eingetretener Verjährung noch einen Bußgeldbescheid. Zahlen Sie das Bußgeld, obwohl der Bußgeldbescheid eigentlich verjährt ist, können Sie die Zahlung nachträglich nicht mehr zurückfordern.

Tipp: Ist eine Verjährung denkbar, sollten Sie das Bußgeld nicht sofort bezahlen. Stimmen Sie sich stattdessen zunächst mit einem Rechtsanwalt für Bußgeldsachen ab und lassen Sie die Verjährung prüfen.

Möglicherweise ist der Bußgeldbescheid allerdings noch nicht verjährt, weil andere Fristen einschlägig sind (z.B. bei Alkohol am Steuer). Zahlen Sie das Bußgeld in einem solchen Fall nicht, geraten Sie in Zahlungsverzug. Dann wird es für Sie noch teurer.

Ist der Bußgeldbescheid noch rechtzeitig ergangen, verjährt er erst nach sechs Monaten. Bei schwereren Verstößen kann die Frist auch länger ausfallen.

Diese Frist wird relevant, wenn Sie gegen einen Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt haben und die Behörde diesen nicht innerhalb von sechs Monaten bearbeitet. Eine Verjährung ist auch dann noch möglich, wenn Sie zwar die Einspruchsfrist verpasst haben, aber die Behörde nicht binnen sechs Monaten einen sog. Vollstreckungsbescheid erlässt.

Sobald der Bußgeldbescheid rechtskräftig geworden ist, kann die Behörde einen Vollstreckungsbescheid erlassen. Damit kann sie die Zwangsvollstreckung gegen den Betroffenen betreiben. Tut sie das jedoch nicht, kann auch dieser Vollstreckungsbescheid verjähren. Die Fristen sind jedoch deutlich länger. Je nach Höhe des Bußgeldes verjährt der Vollstreckungsbescheid erst nach drei Jahren (Bußgeld bis zu 1.000 Euro) bzw. fünf Jahren (Bußgeld über 1.000 Euro). Man spricht dann auch von einer Vollstreckungsverjährung.

3. Darf man einen verjährten Bußgeldbescheid ignorieren?

Nein. Auch wenn der Bußgeldbescheid bereits verjährt ist, müssen Sie rechtzeitig gegen diesen Einspruch einlegen. Hierzu haben Sie ab Erhalt des Bußgeldbescheides zwei Wochen Zeit.

Legen Sie nicht fristgerecht Einspruch ein, wird der Bußgeldbescheid trotz Verjährung rechtskräftig und muss bezahlt werden.

4. Wann tritt Verjährung bei Fahrerflucht und Alkohol am Steuer ein?

Fahrerflucht

Die sog. Fahrerflucht zählt nicht zu den Verkehrsordnungswidrigkeiten, sondern ist eine Straftat („Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort“, § 142 StGB). Es wird daher kein Bußgeldverfahren, sondern ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Verjährungsvorschriften für Bußgeldbescheide gelten daher nicht.

Die Verjährungsfristen von Straftaten richten sich nach dem Höchstmaß der Strafe. Beim Unerlaubten Entfernen vom Unfallort liegt diese bei bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe. Verjährung tritt deshalb erst nach fünf Jahren ein (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB).

Alkohol am Steuer

Bei Alkoholverstößen ist eine differenzierte Betrachtung erforderlich. Je nach Blutalkoholkonzentration und weiteren Ausfallerscheinungen stellt das Fahren unter Alkoholeinfluss eine bloße Ordnungswidrigkeit oder eine Straftat dar. Ob die Behörde also ein Bußgeldverfahren oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren einleitet, hängt von dem Ergebnis Ihrer Blutprobe ab.

Eine bloße Ordnungswidrigkeit liegt vor, wenn Sie mit einer Blutalkoholkonzentration zwischen 0,5‰ und 1,09‰ am Steuer erwischt wurden und Sie keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen zeigen (z.B. Lallen, Schlangenlinien fahren, verzögertes Reaktionsvermögen).

Die kurze Verjährungsfrist für Bußgeldbescheide gilt in diesem Fall jedoch nicht. Nach § 24a StVG droht eine Geldbuße von bis zu 3.000 Euro. Eine Verjährung tritt daher erst nach zwei Jahren ein (§ 31 Abs. 2 Nr. 2 OWiG).

5. Fazit

  • Verkehrsordnungswidrigkeiten verjähren grundsätzlich nach drei Monaten, wenn bis dahin kein Bußgeldbescheid erlassen oder ein Anhörungsbogen verschickt wurde.
  • Bußgeldbescheide verjähren nach sechs Monaten, wenn nicht ausnahmsweise eine längere Frist greift.
  • Wird der Bußgeldbescheid rechtskräftig, kann die Behörde einen Vollstreckungsbescheid erlassen. Die Verjährungsfrist verlängert sich dann auf bis zu fünf Jahre.
  • Auch bei Verjährung müssen Betroffene gegen den Bußgeldbescheid Einspruch einlegen. Andernfalls wird dieser trotz Verjährung rechtskräftig und das Bußgeld muss bezahlt werden.
  • Bei Fahrerflucht tritt eine Verjährung erst nach fünf Jahren ein.
  • Die Verjährungsfristen von Alkoholverstößen hängen von der Einstufung als Ordnungswidrigkeit oder Straftat ab und können zwischen zwei und fünf Jahren liegen.